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Corona – oder die Zeit mit mir

vom 05.04.2020
von Gisela Habekost, Fröndenberg

Es ist nicht so, dass mir das Alleinsein fremd wäre. Wie oft habe ich es bewusst gesucht: In die Stille gehen … Doch es ist anders, nun, da es heißt: Bleiben Sie zu Hause, Sie gehören zur Risikogruppe. Als geselliges Einzelwesen mit lebendigen Kontakten heißt das für mich: Allein im Haus!

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Ja, ich erkenne in diesem Drama den Luxus meiner Situation: Keine Enge, genügend Essen und Bedarfsgüter vorhanden, selbstbestimmt Tag und Nacht verbringen. Stille bei Bedarf, Medien bei Bedarf, Lesen/Musik/Klavierspiel bei Bedarf … Allein spazieren gehen in Wald und Feld. Wie gesagt – ich empfinde den Luxus meiner Situation durchaus. Mit großem Dank!

Am Abend brennt in meinem Fenster eine Kerze der Solidarität.

Kerzen sind mir aber auch zum »wortlosen Draht zu Gott« geworden, nachdem mir dies während eines Klosteraufenthaltes so deutlich wurde. Das ist für mich als Protestantin nicht selbstverständlich, da wir es in unseren Kirchen erst lernen mussten, Kerzen der Bitten zu entzünden …

Ich spüre, wie wichtig es ist, jeden einzelnen Tag zu strukturieren, ein Gerüst zu errichten, um nicht zu schwimmen, zu versinken und zu verflachen. Struktur kann Basis der Sinnfindung werden, Stütze und Aufwertung einzelner Aktivitäten, kostbare Bewusstwerdung von Zeit … im wichtigen Wechsel von Ruhen und Tun.

Das also möchte ich besser lernen, den Wert der Tagesstruktur zu erkennen. So ein Tag ist »rum wie nichts« und kostbare Zeit schnell »verplempert«.

Wir NachbarInnen winken uns zu, rufen über den Zaun, telefonieren und wissen, da wäre Hilfe in der Not.

Wir Freundinnen telefonieren auch, schreiben uns Nachrichten oder Mails, senden Gedanken – Momentaufnahmen, Morsezeichen aus der Vereinzelung …

Ich freue mich sehr über alle fantasievollen Ideen, die diese Zeit hervorbringt – wer hätte das gedacht –, und neige nun viel eher dazu, zu denken: Der Mensch ist gut!

Meine erwachsenen Kinder kaufen ein und geben eindringliche Warnungen von sich, sollte ich auf die Idee kommen, selbst einen Laden zu betreten … Ich lasse das und finde mich brav. Lange her, dass ich gehorcht habe! Früher sah ich die Anordnungen oft nicht ein – das ist nun anders.

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In meiner nahen Familie gibt es eine Pflegedienstleiterin. Sie arbeitet »durchgängig« bis zum Anschlag. Die Nachrichten über die Pflegesituation sind so erschütternd, dass es einem die Tränen in die Augen treiben kann.

Das Ausbreiten des Corona-Virus (Corona heißt Krone, wir setzen mit dieser Pandemie allem die Krone auf) ist sehr gruselig, und ich merke, dass ich die Nachrichten gut dosieren muss, um nicht in lähmende Depression zu verfallen. Wohin steuert unsere Welt? In welches Elend sind wir geraten? Alles entstanden durch unser »Schneller – Höher – Weiter« der vergangenen Jahrzehnte? Die Folgen der Globalisierung treten so deutlich zutage, die Abhängigkeiten und menschengemachten Katastrophen! Werden wir lernen aus diesem Desaster oder da weitermachen, wo wir aufgehört haben? Das Gefühl der Ohnmacht will Trost …

Mein Hunger nach Begegnung, nach guten Worten – Menschentrost und Gotteswort – wird stärker. TV-Gottesdienste sind Glückssache, sorry, das ist so. Aber mein Zwiegespräch mit Gott, diesem nahen »Ich bin da«, der mit dem Dennoch, obwohl wir es nicht verdient hätten … dieses Zwiegespräch reißt nicht ab. Und wenn ich innen sehr still bin, ist da manchmal so etwas wie eine Antwort … Solange die Erde besteht, sollen nicht aufhören … Manche Verse fallen mir ein und ich sehe die Vögel, fliegend durch meinen Frühlingsgarten. Sie bauen ihr Nest, trotz alledem, sie ernten und säen doch nicht … Ich fühle den Windhauch als Raunen der Ruah, das schon Elia ermutigte, neu zu beginnen …

Und dann ist da auch noch diese Heiterkeit. Ja, wirklich! Es ist kaum zu glauben, dass das alles in ein Herz passt – ich fühle trotz Isolierung und Nachrichten des Grauens eine fast durchgängige Heiterkeit, trotz alledem. Ob man das laut sagen darf in diesen finsteren Zeiten? Warum kann ich trotzdem heiter sein? Ist es das tiefe Vertrauen? Ich weiß es nicht, muss es auch nicht genauer ergründen, sondern nehme diese Dennoch-Heiterkeit einfach an als Geschenk.

Isoliert ja, aber nicht einsam. Allein, aber nicht verlassen. Still, aber innen so lebendig. Sorgenvoll, aber nicht panisch. Trauernd, aber nicht ohne Hoffen.

Trauernd vertrauen.

In dein Schweigen
du stiller Gott
breite ich aus
den Teppich des Gebets
darin eingewebt alles
was du schon weißt

Wozu brauchst du
Worte

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Alle Beiträge des Erzählprojektes »Die Liebe in Zeiten von Corona«

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Schlagwörter: CoronaHeiterkeit
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