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Corona macht nach-denklich

vom 17.04.2020
von N. N.

Seit gut vier Monaten bin ich in einem Seniorenheim, und Haus und Garten sind verlassen. Wie ungepflegt, noch mit dem Restlaub des Herbstes bedeckt, stand der Garten vor meinem inneren Auge. Ob dieser Zustand nicht bald zum zweiten Mal Diebe anzog? Vor zwei Wochen bekam ich eine App mit meiner 19-jährigen Enkelin, die schon ein Stück Rasen gemäht hatte. Im Beet blühten die »alten« Tulpen, Hyazinthen, Osterglocken; ohne mein Zutun wiedergekommen – wie herrlich üppig die Forsythie. Wie bestaunte ich den Garten nach dem Mähen. Währenddessen war ihr Vater noch zum Friedhof zum Grab meines Mannes (seines Vaters) gefahren und schickte ein Foto mit der Frühjahrsbepflanzung. Danke, Sohn und Enkelin!

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Seit dem 15. März dürfen wir nicht mehr aus dem Haus, einige Tage später nicht mehr von der Etage. So fällt mein geliebter täglicher Besuch in der Barbara-Kapelle unten weg. Es konnte aber noch schlimmer kommen: Seit dem 7. April müssen wir wegen Infektionsverdachts im Zimmer bleiben, können nicht mehr auf den morgens sonnenbeschienenen Balkon, nicht mehr auf die langen Flure, um die Beine zu vertreten. Essen kommt mit PflegerInnen in Schutzkleidung ins Zimmer.

Doch es gibt auch Lichtblicke. Die Familie meines Sohnes hatte eine Tasche mit einem Osterglockentopf, österlichem Süßen und gewaschener und gebügelter Bluse unten abgegeben – ins Haus dürfen sie ja nicht. Wie froh machen mich die Anrufe meiner Kinder und Enkel, besonders der meiner Tochter. Telefonate mit Frauen aus meiner Heimat-Kirchengemeinde, mit denen ich vertraut bin, erhellen den Tag. Die Morgenandachten im Radio, wenn nicht unterbrochen durch Temperaturmessen … sind ein guter Tagesbeginn. In der vorigen Woche riefen sie zu einer »Ostersteinsammlung mit Hoffnungsbotschaften« unter dem Leitspruch »Stärker als der Tod ist die Liebe« auf. Der schwere Stein war schon weggewälzt, als die Frauen zum Grab kamen. Wir haben alle einen schweren Stein auf der Seele.

In einer Morgenandacht wurde Paulus auf einem Rembrandt-Bild, an Eisen angekettet, über ihm ein Schwert gemalt, beschrieben – eine Corona vergleichbare Situation. Paulus hat ein Buch auf den Knien. Er versenkt sich nicht in die eigene schlimme Lage, sondern will sich durch Schreiben aktiv einfühlen (ein wenig fühle ich mich jetzt ähnlich).

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Corona macht nach-denklich. Früher war mir mein Beitrag – den Kindern in Schwierigkeiten zu helfen – auch aus Ehrgeiz wichtig. Die Liebe zu ihnen kam dabei zu kurz. Ich spüre, dass es mir hilft, an sie vor allem in Liebe zu denken und ihnen zu wünschen, dass sie je eigene Hilfen finden, ihr Leben zu gestalten.

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Alle Beiträge des Erzählprojektes »Die Liebe in Zeiten von Corona«

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Schlagwörter: CoronaIsolationFamilie
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