Kinotipp: »Stiller«
Entstaubter Klassiker

Kino. »Ich bin NICHT Stiller«, lautet das Mantra eines Mannes, der 1952 bei der Einreise in die Schweiz festgenommen wird. Jemand will in ihm den Bildhauer Anatol Stiller erkannt haben, gegen den eine Anklage aus Vorkriegszeiten wegen Spionage läuft. Der markige Mann, Typ lässiger Abenteurer, gibt sich als US-Amerikaner James Larkin White aus und kommt in Untersuchungshaft. Zur Aufklärung seiner Identität konfrontieren ihn die Schweizer Ermittler mit Stillers Frau Julika, die aus Paris nach Zürich anreist. Sie erkennt ihn sofort als ihren lang verschollenen Ehemann, doch Mr. White zuckt mit keiner Wimper.
Während sich sein junger Gefängniswärter an Whites Geschichten aus dem Wilden Westen begeistert, scheint auch die schöne, traurige Julika, die mit dem vermeintlichen Amerikaner lange Spaziergänge unternehmen darf, Gefallen an ihm zu finden. In Rückblenden entfaltet sich derweil die Vergangenheit des Bildhauers Stiller und seiner Ehe zu der ehrgeizigen Ballerina Julika. Als dann sogar das Privatleben des Staatsanwaltes Eingang in die Ermittlung findet, nimmt der Fall an Fahrt auf.
Ist er’s oder ist er’s nicht? Wer die Vorlage, den Roman von Max Frisch, nicht kennt, wird in dieser gemächlichen wie eleganten Inszenierung durch einen Besetzungskniff lange im Ungewissen gehalten. Selbst Kenner entdecken in diesem filmischen Vexierspiel, das unangestrengt zwischen Krimi, Liebesgeschichte und Künstlerdrama schillert, neue Facetten des Romanstoffs. Auch dank des hervorragenden Ensembles, darunter Albrecht Schuch und Laura Beer, entpuppt sich die Verfilmung dieses Klassikers, einst verstaubte Oberstufenlektüre, als anregendes Drama einer männlichen Identitätssuche.
Stiller (Schweiz/D 2025).
Film von Stefan Haupt. 99 Min. Ab 12 J.




