Leserbrief
230 Nachrichten am Tag
Als Lehrerin in der Oberstufe kann ich über die Position von Quentin Gärtner nur den Kopf schütteln. Es habe ihm kein Lehrer gesagt, wie er seinen Smartphone-Konsum regulieren oder wie er um drei Uhr in der Früh mit dem Computerspielen aufhören könne. Wo sind da bitte die Eltern? Es ist ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder genug Schlaf bekommen und nicht acht Stunden täglich am Handy oder vor dem Computer hängen. Solche Bildschirmzeiten sind bei Jugendlichen keine Seltenheit. Natürlich kann man in der Schule über die schädlichen Mechanismen von »sozialen« Netzwerken und Computerspielen informieren. Das wird häufig auch getan! Ich kläre im Ethik- und Geschichtsunterricht darüber auf und auch über Fake News. Doch egal wie viel man spricht: Die Jugendlichen fallen beim nächsten Mal wieder auf Falschmeldungen herein. Schon Grundschulkinder sehen ungefiltert auf dem Smartphone brutalste Videos, Pornos und fundamentalistische Influencer. Das kann für die Psyche nicht gut sein, von Augenproblemen durch die kleinen Bildschirme ganz zu schweigen. Grund genug, Kinder vor Smartphones zu schützen. Das kann die Schule nicht alleine leisten. Agnes Widauer, A-Wien
Nach inzwischen zwei Dekaden der Smartphone-Ära kann es nur eine Antwort auf die Frage geben. Kinder und Jugendliche sind allgemeinhin nicht so selbstreflektiert, dass sie einschätzen können, wie viel Zeit mit welchen Inhalten ihnen dauerhaft schadet. Deshalb braucht es eine strikte Begrenzung durch Fürsorgepflichtige und den Lehrkörper. Würden jetzt Grenzen gesetzt, wenigstens in der Schule, wird es die Jugend später einmal danken. Was wollen sie ihren eigenen Kindern und Enkeln denn einmal erzählen, wenn diese fragen, was sie denn früher so gemacht haben? Bei einer ganzen Generation würde eine ehrliche Antwort sehr ernüchternd ausfallen. Ullrich Herzau, Berlin
Die Faktenlage, von der der hessische Kultusminister Armin Schwarz (CDU) spricht, muss anerkannt werden. Darunter die 230 Benachrichtigungen pro Tag, die Aufmerksamkeit fürs Smartphone einfordern. Unter diesen Umständen pädagogische Begleitung und kritische Reflexion für den Mediengebrauch während der Unterrichtsstunden einzufordern würde massiv auf Kosten der Aufmerksamkeit des eigentlichen Lehrprogramms gehen. Dazu kommt die Sucht, die mit dem Smartphone einhergeht. Würden Schulen es zulassen, dass während des Unterrichts Joints geraucht werden? Rob Maris, Kreuzau
Smartphones haben ein ähnliches Suchtpotenzial wie Zigaretten, Alkohol und andere Drogen. Daher gibt es keine erfolgreiche Medienerziehung. Erst ab etwa 14 Jahren haben sich Jugendliche so im Griff, dass sie Bildschirmmedien als Werkzeuge nutzen lernen können.
Johannes Hanel, publik-forum.de
