Weil ich eine Frau bin …
Eigentlich hatte es ein ganz großes Fest werden sollen, mit vielen alten Kolleginnen und Freunden. Doch dann kam die Corona-Pandemie! So konnte sich Helen Schüngel-Straumann am Nachmittag ihres achtzigsten Geburtstags am 5. Mai gerade mal mit zwei befreundeten Theologinnen im benachbarten Park ihres Wohnorts Basel treffen – in gebührendem Abstand zu einander.
Das Fest werde nachgeholt, gibt sie sich zuversichtlich. Es ist ja nicht so, als liefe zum ersten Mal in ihrem Leben etwas nicht wie geplant. Die Alttestamentlerin und Feministische Theologin aus der Schweiz hat es nie leicht gehabt. Sie stammt noch aus einer Generation, in der eine höhere Bildung für Mädchen nicht vorgesehen war, geschweige denn das Vordringen in den männlichen Kosmos der katholischen Theologie. Ohne Unterstützung der Eltern machte sie das Abitur, und für ein Theologie-Studium musste sie nach Deutschland gehen, weil damals Frauen an theologischen Lehreinrichtungen der Schweiz nicht zugelassen wurden.
Auch in Deutschland bekam die junge Wissenschaftlerin auf ihrem Weg nach oben viele Schwierigkeiten. Unter anderem wurde ihr an der Fakultät in Bonn vor Beendigung ihrer Dissertation ihre Assistentinnenstelle gekündigt, weil sie schwanger war. Zwar gewann sie die jahrelangen Prozesse. Doch nun geriet ihr persönliches Leben in Bedrängnis: Ihr Mann verließ sie, und sie blieb mit zwei Kindern zurück. Zufall? Persönliche Tragik? Kaum. Sie begriff, dass es damit zu tun hatte, dass sie eine Frau war: Eine Frau in der katholisch-theologischen Wissenschaft, eine Frau in der patriarchalen Gesellschaft.
Bei einer Tagung auf der Burg Rothenfels im Jahr 1980 lernte sie aus den persönlichen Berichten der anderen Teilnehmerinnen, dass es allen ähnlich ergangen war wie ihr selbst. Ihr Schluss: »Also bin nicht ich verrückt, sondern es liegt am System.« So wurde sie Feministin.
Als Theologin durchforstete sie nun die Bibel und fand auch dort viele Frauen, die zu kurz kamen oder deren Geschichten in Theologie und Kirche als unwichtig und nicht erzählenswert betrachtet wurden. Auch am männlichen Gottesbild der Kirche begann sie zu zweifeln. Sie fing an, über die weiblichen Dimensionen Gottes in der Bibel zu forschen und über deren Konsequenzen für das christliche Verständnis vom Menschen als Mann und Frau. Erst die eigenen lebensgeschichtlichen Erfahrungen, geteilt mit anderen Frauen, ließ

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