Zugriff im Namen der Autobahn

Es riecht feucht hier im Wald, und es ist überraschend kühl trotz der Spätsommerhitze draußen. Auf den ausgetrockneten Böden erhebt sich ein verwunschen enger Mischwald aus Kiefern und riesigen Fichten, vor allem aber Stieleichen und Hainbuchen. Auf einer Lichtung ein Gärtchen mit Kürbissen, Feuerbohnen, Tomaten, Mais: Angelegt wurde er von Waldbesetzern – bis vor Kurzem waren es gut hundertfünfzig, mittlerweile sind es mehrere hundert. Sie leben in an die hundert Baumhäusern in kleinen Siedlungen. Diese »Barrios« heißen »Oben« oder »Drüben«, »Unterwex« oder »Nirgendwo«.
Wir sind im mittelhessischen Dannenröder Forst, zwanzig Kilometer östlich von Marburg. Das Idyll soll weg. Mitten hindurch soll eine Autobahntrasse für die A49 gefräst werden, mitten in Zeiten der Klimaerhitzung, mitten durch ein großes, sensibles Trinkwasserschutzgebiet und ein angrenzendes europäisches Flora-Fauna-Habitat. Seit Herbst 2019 ist der Wald besetzt. Derzeit droht täglich die Räumung. Eine Rodung ist gesetzlich ab Oktober erlaubt.
15 der Aktivisten haben sich an diesem Nachmittag im Gärtlein versammelt. Thema heute: der Tag X+1. Wohin nach der befürchteten Räumung, wo gibt es Rückzugsorte und Hilfe nach Gewalterfahrung, wie findet man sich nachher wieder? Es soll viele Hilfsangebote aus den umliegenden Dörfern geben und zahlreiche Sympathisanten in Gießen, Wetzlar und Marburg. Eine Frau berichtet von einem neuen Kontakt zu einem Pfarrer: »Der hat gesagt, in seiner Gemeinde gibt es viel Support.«
Die Geschichte des »Danni«, wie hier alle sagen, gleicht der des »Hambi«, des Hambacher Forsts am rheinischen Braunkohleloch. Von dem ist nach achtjähriger Besetzung ein Stück geblieben, wenn es auch wegen

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Wer die Menschen aus dem Dannenröder Wald kennengelernt hat, wird festgestellt haben, dass diese sehr jungen Menschen unglaublich hohe Standards im achtsamen Umgang miteinander und mit der Umwelt - besser gesagt Mitwelt - haben. Dass sie sich ernsthaft um die Zukunft sorgen und Alternativen versuchen zu leben. Alternativen, die sie unserem „Krieg“ gegen unsere Kinder und Kindeskinder entgegensetzen.
Das tragische ist, dass diese Alternativen nicht mehr glaubhaft in der Politik vertreten sind, besonders nicht in Hessen.
Welcher Partei sollen die vielen Jugendlichen, die wöchentlich auf die Straße gehen, ihre Sorge um den Klimawandel anvertrauen? Den Grünen, die mit Hilfe von knüppelnden Polizisten Autobahnen bauen und das als Demokratie verkaufen?