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In Krisen wie diesen 1

vom 27.03.2020
von Dagmar Westphal

In Krisen wie diesen
zu Virenkriegszeiten, in denen nun alle sozialen Kontakte im Dornröschenschlaf ruhen, gehen meine Gedanken nachts spazieren und besuchen nahe und ferne Menschen an unterschiedlichen Orten zu allen Zeiten.

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Im Mittelalter versammelte sich die Menschheit in den Kirchen und verbreitete die Pest beim Abendmahl; gottlob haben die meisten daraus gelernt, doch leider stirbt der Leichtsinn niemals aus, heutzutage feiern manche Corona-Partys, weil sie sich wie die Götter fühlen – unsterblich. Aus der Sicht einiger Jugendlicher haben die reichen Alten das Klima verpestet und können daher zugrunde gehen. Auch die Reduzierung einiger Völker berührt manche weniger als der Mangel an Klopapier. Mein Pech, dass ich Hamsterkäufe anfangs belächelt habe und es mich nun persönlich trifft. Als Nachkriegskind habe ich jedoch gelernt, mit Mängeln zu leben und erfinderisch zu sein.

Anfangs dachte ich, alles wäre nur Panikschüren der Pharmaindustrie, um an Impfstoffen zu verdienen wie vor ein paar Jahren bei der Schweinegrippe, die sich nicht ausbreitete und alles Material vergeblich verschwendet war und vernichtet werden musste …

Interessant ist auch die unterschiedliche Psyche einiger Zeitgenossen: Pingelige Deutsche horten Klopapier, Franzosen Rotwein und Kondome und Amerikaner Waffen!

Mit dem Alleinsein kann ich bei Ausgangssperre gut umgehen. Wilhelm Busch meint: »Wer einsam ist, der hat es gut, weil niemand da, der ihm was tut.« Sehr treffend im Hinblick auf gehortete Waffen! Sozial zu fasten ist für kurze Zeit seelisch bekömmlich: sich in sich selbst zurückzuziehen und von Telefonbesuchen und virtuellen und verkabelten Küssen zu leben.

Niemals habe ich unter Langeweile gelitten, konnte mich immer gut mit mir selbst beschäftigen: lesen, schreiben, Klavier spielen, radeln. Doch irgendwann sind selbst die liegen gebliebenen unliebsamen Aufräumarbeiten getan und die Seele sehnt sich nach einer Belohnung und möchte endlich das aufgeschobene Frühlingsfest mit allen feiern!

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Ein Überlebensgen der Spezies Mensch scheint auch der Glaube zu sein, dass Krankheit und Tod nur die anderen treffen. Selbst als Siebenundsiebzigjährige gehöre ich noch zu den unverbesserlichen Optimisten, die sich nicht zur Risikogruppe zählen, weil ich noch keine täglichen Medikamente benötige, mich ausgeglichen und vorwiegend vegetarisch ernähre, einen Garten habe und eine Vielfalt an Interessen und guten Bekannten. Auch in der Vergangenheit hat mein Schutzengel ein überaus umsichtiges Talent gezeigt, mich vor dem Untergang zu bewahren – trotz einiger Brüche im Laufe meines langen Lebens, wie Bombenabwürfen, Reit- und Autounfällen, Masern, Blinddarmdurchbruch wie Oberschenkelhalsbruch!

Ich bin sicher, dass nichts nur zufällig geschieht, sondern dem Naturgesetz von Ursache und Wirkung unterliegt. Ohne von einer Strafe Gottes zu sprechen oder Verschwörungstheorien zu bemühen, bin ich davon überzeugt, dass die Menschheit die Quittung bekommt für den schändlichen Umgang mit ihren Mitgeschöpfen. Die Erde wehrt sich offensichtlich gegen das Zeitalter des Menschen, des gierigen Menschen. Kehrt um – und ihr werdet leben!

Der Siegeszug des Virus ging von den Märkten aus, wo täglich das Leid getöteter wie noch lebender Tiere nebeneinander vermarktet wird. Darunter finden sich auch Tiere, die auf der Roten Liste der aussterbenden Arten stehen – ein Zufall? In schlaflosen Vollmondnächten fallen mir apokalyptische Szenarien ein von Heuschrecken, Erdbeben, Engeln mit versiegelten Worten und Posaunen. Aber wurde uns nach der Sintflut nicht versprochen: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Jawohl: Solange die Erde steht …

Das Versammlungsverbot gilt auch für kirchliche Orte, obwohl in Krisen wie diesen ein göttlicher Beistand so bitter nötig wäre. Keine Ostermessen – wie werden wir auferstehen aus dieser Passionszeit, in der das diesjährige Motto lautet: 7 Wochen ohne Pessimismus? Was wird die Menschheit aus dieser Krise gelernt haben? Wozu sollte sie gut sein? Dazu ein Wort von Friedrich Hölderlin, an das ich mich in diesen Tagen erinnere: Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch! In diesem Sinne – bleibt fit und zuversichtlich bis zum Wiedersehen irgendwann …

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Alle Beiträge des Erzählprojektes »Die Liebe in Zeiten von Corona«

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