Zur mobilen Webseite zurückkehren
Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 21/2022
Der Inhalt:

Literatur
Die kulturelle Zerstörung Norddeutschlands

von Eva-Maria Lerch vom 04.11.2022
Dörte Hansen gelingen eindrucksvolle Porträts von Menschen, die ganz von Wind und rauer Seeluft geprägt sind.
(Foto: istockphoto/clu)
(Foto: istockphoto/clu)

Roman. Es könnte Borkum sein oder Amrum, Föhr oder Norderney. Dörte Hansen hat die Insel bewusst nicht benannt, weil der scharfe Wind, der ihren Roman durchweht, auf allen derselbe ist. Und weil das, was hier geschieht, gerade überall auf den Nordseeinseln passiert. Im Mittelpunkt steht die Kapitänsfamilie Sander, die in einem 300 Jahre alten Haus lebt, mit Delfter Fliesen und einem Zaun aus Knochen eines Grönlandwals. Die Touristen, die die Insel im Sommer überströmen, bleiben davor stehen und nehmen es als idyllische Erinnerung von der See mit nach Hause. Doch die Geschichte der Familie macht deutlich, dass die Seefahrer, die sie hervorgebracht hat, vor allem das Frieren gelernt haben und die lebenslange Furcht vor dem nassen Tod. Der Vater kann nach Jahren auf See keine Nähe mehr ertragen und lebt als Vogelschützer auf einer unbewohnten Nachbarinsel. Der Sohn hat nach einem Sturmtrauma sein Kapitänspatent verloren und ist in den Alkoholismus abgestürzt. Sein jüngerer Bruder sammelt Strandgut und baut daraus skurrile Skulpturen, die Touristen in ihre Gärten stellen. Die Tochter arbeitet als Pflegerin im Seniorenheim für Seeleute und flieht vor den Touristenströmen, die die Inseltraditionen zur Folklore verkommen lassen. Ähnlich wie in ihren Romanen »Altes Land« und »Mittagsstunde« gelingen Dörte Hansen eindrucksvolle Porträts von Menschen, die zutiefst von ihrer norddeutschen Umgebung geprägt sind und zugleich deren kulturelle Zerstörung durchleben. Hansens Ton ist herber als in früheren Romanen – so karg und prägnant, dass man auf jeder Seite die raue Seeluft atmet.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 21/2022 vom 04.11.2022, Seite 55
Ungehorsam
Ungehorsam
Muss Klimaprotest radikal sein?
4 Wochen freier Zugang zu allen PF+ Artikeln inklusive E-Paper
.
Kommentare und Leserbriefe
Ihr Kommentar
Noch 1000 Zeichen
Wenn Sie auf "Absenden" klicken, wird Ihr Kommentar ohne weitere Bestätigung an Publik-Forum.de verschickt. Sie erhalten per E-Mail nochmals eine Bestätigung. Der Kommentar wird veröffentlicht, sobald die Redaktion ihn freigeschaltet hat. Auch hierzu erhalten Sie ein E-Mail. Siehe dazu auch Datenschutzerklärung.

Mit Absenden des Kommentars stimmen Sie der Verarbeitung Ihrer Daten zur Bearbeitung des Kommentars zu. Zum Text Ihres Kommentars wird auch Ihr Name gespeichert und veröffentlicht. Die E-Mail-Adresse wird für die Bestätigung der Bearbeitung genutzt. Dieser Einwilligung können Sie jederzeit widersprechen. Senden Sie dazu eine E-Mail an [email protected].

Jeder Artikel kann vom Tag seiner Veröffentlichung an zwei Wochen lang kommentiert werden. Publik-Forum.de behält sich vor, beleidigende, rassistische oder aus anderen Gründen inakzeptabele Beiträge nicht zu publizieren. Siehe dazu auch Netiquette.
Publik-Forum
Publik-Forum
Einen Moment bitte...