Wer war Ernst Ludwig Kirchners »Milli«?
Ausstellung/Intervention. 1911 malte Ernst Ludwig Kirchner die »Schlafende Milli«, ein Aktbild einer liegenden Schwarzen Frau. Obwohl sich Kunsthistoriker intensiv mit dem Bild auseinandergesetzt haben, wurde nie geforscht, wer Milli eigentlich war, beklagt Natasha A. Kelly. Die Wissenschaftlerin, Künstlerin und Aktivistin hat versucht, es herauszufinden. Die Recherchen waren schwierig und es bleibt offen, ob Milli Zirkusartistin, Jazztänzerin, Haushälterin oder Sexarbeiterin war – und ob sie tatsächlich Milli hieß und woher sie stammt.
Die Früchte dieser Auseinandersetzung sind bis Juli 2023 in der Kunsthalle Bremen zu sehen. Dort, wo Kirchners »Schlafende Milli« ausgestellt ist, hat Natasha A. Kelly als Intervention einen kleinen Raum gestaltet, ganz in der Nähe des Original-Bildes. An den Wänden hängen Bilder und Skizzen von Milli und anderen Schwarzen Modellen. Außerdem Zitate aus einem Brief Kirchners, in dem er über eine Hausangestellte namens Milli schreibt.
Dabei geht es auch um die Rolle von Ernst Ludwig Kirchner. Wie hat er Milli gesehen, wie hat er sie dargestellt? Dass die Brücke-Künstler oft Schwarze Menschen malten, war damals noch ungewöhnlich. Kelly glaubt, das könne mit dem Außenseiterstatus der Künstlergruppe zusammenhängen: »Für sie waren andere unterrepräsentierte Gruppen von großem Interesse.« Kelly analysiert Klischees, in denen Schwarze Frauen als erotisch-exotische Objekte dargestellt werden. Sie erzählt aber zugleich von »Millis Erwachen«, wie ein von Milli inspirierter Film von ihr heißt, der den Blick auf Schwarze deutsche Künstlerinnen richtet.