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Ein Buch fürs Leben …
Leben im Nirgendwo

von Norbert Copray vom 24.11.2022
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Die Versuchung für mich ist groß, den Text aus dem Buch lang und länger zu zitieren. Er ist dicht, intensiv, verstörend, aufrüttelnd, zieht mich in sich hinein. Da möchte ich ganze Passagen vorstellen, doch das ist ebenso schwierig wie wenig sinnvoll, denn dann fehlt der sehr lange Strom der Eindrücke, Zweifel, Klagen und Entrüstungen. Er reißt mich mit wie einen, der am Ufer steht und sich zu weit in den Fluss wagt. Unter dem Titel »Fremd« legt Michel Friedman ein Langgedicht in 54 Strophen auf 168 Seiten dar (Berlin Verlag), die es – die ihn! – in sich haben und zu mir tragen. Ein Langgedicht formt eine Gegenbewegung gegen Einengung und Abgrenzung, gegen ein metrisches Versmaß, mäandert und bildet die verschiedenen Facetten einer Erfahrung ab, bricht ab, nimmt neu auf. Friedman reflektiert sich öffentlich, kehrt das Innere nach außen, findet rührende, aggressive, analytische, erfahrungsstarke und politische Worte für sein Leben prägendes und auch bisweilen erdrückendes Trauma. Ich kenne Friedman seit Jahrzehnten, nicht persönlich, doch aus seinen zahlreichen Texten, Interviews, Büchern und aus seinem politischem Engagement. Dafür habe ich größte Anerkennung, auch wenn mir bisweilen seine rhetorische Inszenierung auf den Nerv ging. Jetzt weiß ich, wo die Motivation, der Antrieb dafür ist. Und das versöhnt mich mit ihm. Sein Buch »Fremd« ist der Schlüssel für mich dazu. Die Außenseite von Friedman ist weithin bekannt: in Paris 1956 geboren, deutsch-französischer Jurist, Philosoph, Politiker, Publizist und Talkmaster. Er moderierte, teilweise in längerer Staffel, verschiedene Formate von Talkshows. Da war er oft streng, teils bissig, teils aggressiv, was ich teils richtig, teils übertrieben fand. Er war von 2000 bis 2003 stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie von 2001 bis 2003 Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses. Hier hat er immer wieder und zu Recht die Stimme scharf gegen Antisemitismus und Rassismus erhoben für Liberalität, Toleranz, Demokratie und Respekt. Da bin ich mit ihm einig, auch wenn er ein Gefühl der Vergeblichkeit hat. Seit 2016 ist er Honorarprofessor an der Frankfurter Fachhochschule. Es gab zwei Attentatsversuche auf Friedman. Sie zeigen mir die Gefährdung seines Lebens. Äußerlich. Innerlich: ein gefährdetes Selbst ohne eigenes Verschulden. Ein einsames Ich, ein »Leben im Nirgendwo«, ein Ich: »auf dem Friedhof geboren«. Friedman entstammt einer polnisch-jüdischen Familie aus Krakau, von der kaum ein Mitglied den Holocaust überlebte. Während der NS-Zeit im Ghetto Krakau zusammengetrieben, konnten sie durch den Unternehmer Oskar Schindler gerettet werden. Friedman wurde zum »Lebensübersetzer« für seine Eltern, für den Dialog zwischen Deutschen und Deutschen. Mit diesem »Buch fürs Leben« und mit seiner »Angst vor dem Fremden in mir«. Denn fremd machen ihn stets die anderen.

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