»Ich muss leben, was ich fühle«

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Frau Dr. Poland, was ist denn aus Ihrer Sicht der Kern des Phänomens der Transsexualität, wenn zum Beispiel ein Mensch, der im Körper eines Mannes geboren wurde, irgendwann im Laufe seines Lebens zur Frau wird? Oder umgekehrt: eine Frau zum Mann?
Dorette Poland: Es geht hier entscheidend um die Geschlechtsidentität eines Menschen, also nicht so sehr um seine Sexualität. Ein »Mann« sagt, er fühle sich nicht als Mann, sondern vielmehr als Frau, obwohl er in einem männlichen Körper lebt. Ein solcher Mensch stellt die gängige Normvorstellung – hier Mann, dort Frau – infrage. Da diese Normvorstellung aber in unserer Gesellschaft sehr bestimmend ist, bleibt dieser Mensch vielfach zunächst Mann, spielt aber vielleicht als Junge mit Puppen oder trägt gerne Röcke. Der Kern des Proble
Dorette Poland,
geboren 1946, ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Sexual- und Paartherapeutin in freier Praxis in München. Sie durfte 1976 als politische Dissidentin aus der DDR nach Westdeutschland ausreisen. Als Ärztin in der Psychiatrischen Klinik am Münchner Universitätsklinikum rechts der Isar kam sie ab 1985 mit dem Phänomen der Transsexualität in Berührung, fühlte sich von diesen Menschen angezogen und ist seitdem auf diese Problematik spezialisiert. »Ich selbst habe zweimal aus politischen Gründen die Grenze gewechselt, das erste Mal unfreiwillig, das zweite Mal freiwillig«, erzählt sie. Geboren wurde sie auf der Grenze, in einem Güterwaggon eines Vertriebenentransports von Schlesien nach Ostdeutschland. Dann wechselte sie freiwillig von der damaligen DDR in die Bundesrepublik. »Vom August 1975 bis November 1976 lebte ich auf der Grenze, weil ich in der DDR schon abgeschrieben und in der BRD noch nicht angenommen war.« In dieser Zeit habe sie eine einzigartige Freiheit erlebt, die sie weder vorher noch nachher gehabt habe. »Die Grenze ist, ob ich will oder nicht, mein Lebensthema«, sagt Dorette Poland.
