Zur mobilen Webseite zurückkehren

Smalltalk auf dem Dorffriedhof

vom 28.05.2020
von Dr. Margret Peek-Horn, Linnich

Auch in den Dörfern herrscht Coronaleere. Allenfalls am Wochenende auf dem Friedhof trifft man Menschen und wechselt das ein oder andere Wort. In Coronazeiten ist es nicht das Wetter, es ist Corona und seine Auswirkungen.

4 Wochen freier Zugang zu allen PF+ Artikeln inklusive E-Paper

Gestern kam ich ganz schnell auf das Thema, auf dem Friedhof, mit einem Mann, den ich nicht kenne, der aber zu reden begann. Wir gingen ein paar Schritte in eine Richtung: er mit Handy in der Hand, ich mit Hund an der Leine.

Ganz schnell war er bei seiner Meinungsäußerung: All die Schäden in der Gesellschaft durch Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Zusammenbrüche, Verbote und so weiter, und so weiter. Ich versuchte Argumente zu nennen für Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus, aber umsonst: »Alles Quatsch: Die Toten waren alle über 80 und wären sowieso gestorben.« »Aber Sie hätten doch auch dabei sein können.« »Ich nicht, ich bin ja erst 67.« Ich verstumme. Ob das Virus Geburtsregister studiert?
Platitüde Nummer eins aus dem Repertoire der »Coronaverharmlosungs-, -leugnungs-, Ignorantendemos« (Ausdruck aus der Tagespresse). Es gibt sie nicht nur in Berlin und anderen Städten.

Platitüde Nummer zwei, ohne Überleitung (ich wohne im Braunkohlerevier): »Die Protestierer in den Dörfern um Hambach und Garzweiler II kommen alle von auswärts. Die Umsiedler aus den Dörfern haben alle zugestimmt und für ihre Häuser von RWE mehr als den Schätzwert erhalten.« Ich kenne genügend andere Stimmen und Betroffenheiten.

Platitüde Nummer drei: »Politiker kennen nur ihren eigenen Vorteil, wollen an der Macht bleiben. Mit 65 kann man das Pensum doch nicht leisten, aber sie lassen sich wieder wählen. Und die wollen uns was zu sagen haben?«

Anzeige

Publik-Forum EDITION

»Das Ende des billigen Wohlstands«

Wege zu einer Wirtschaft, die nicht zerstört.»Hinter diesem Buch steckt mein Traum von einer Wirtschaft, die ohne Zerstörung auskommt. / mehr

Platitüde Nummer vier: »Die Grünen sind auch nichts. Die kennen doch nicht die Lage vor Ort und reden gestelzt daher und so weiter, und so weiter.«

Platitüde Nummer fünf: Ich nehme meinen Hund, wünsche ihm ein schönes Wochenende und gehe in die entgegengesetzte Richtung. Ich konnte keine Argumente gegen diese Platitüden loswerden. Und all das in ein paar Schritten auf einem Feldweg am Friedhof. Und ich gehöre zur Gruppe derer, die sowieso gestorben wären und die nun an all diesem Unheil die Schuld tragen, nur einfach weil sie da sind und leben und sich zu allem Überfluss auch noch verantwortungsgetragene Gedanken machen.

Das Eis nach Lockerungen schmeckt eben doch nicht nach der gewohnten Freiheit und dem unbeschwerten Sommer. Da muss doch wer schuld sein.

______

Alle Beiträge des Erzählprojektes »Die Liebe in Zeiten von Corona«

______

Jeden Morgen kostenlos per E-Mail: Spiritletter von Publik-Forum

Schlagwort: Coronazeiten
Kommentare und Leserbriefe
Ihr Kommentar
Noch 1000 Zeichen
Wenn Sie auf "Absenden" klicken, wird Ihr Kommentar ohne weitere Bestätigung an Publik-Forum.de verschickt. Sie erhalten per E-Mail nochmals eine Bestätigung. Der Kommentar wird veröffentlicht, sobald die Redaktion ihn freigeschaltet hat. Auch hierzu erhalten Sie ein E-Mail. Siehe dazu auch Datenschutzerklärung.

Mit Absenden des Kommentars stimmen Sie der Verarbeitung Ihrer Daten zur Bearbeitung des Kommentars zu. Zum Text Ihres Kommentars wird auch Ihr Name gespeichert und veröffentlicht. Die E-Mail-Adresse wird für die Bestätigung der Bearbeitung genutzt. Dieser Einwilligung können Sie jederzeit widersprechen. Senden Sie dazu eine E-Mail an [email protected].

Jeder Artikel kann vom Tag seiner Veröffentlichung an zwei Wochen lang kommentiert werden. Publik-Forum.de behält sich vor, beleidigende, rassistische oder aus anderen Gründen inakzeptabele Beiträge nicht zu publizieren. Siehe dazu auch Netiquette.