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Meine große Hoffnung

vom 17.06.2020
von Leonore Rosenberg, Nordheim

Noch bevor ich von meinen ganz persönlichen Erlebnissen erzähle, möchte ich vorausschicken, dass ich mir der weltweiten Tragik dieser Krise voll bewusst bin und alle unmittelbar Betroffenen meine tiefe Anteilnahme besitzen. Gleichzeitig nehme ich mit einer Dankbarkeit und Intensität wahr, wie noch nie in meinem Leben zuvor (ich bin Jahrgang 1939), wie privilegiert ich hier lebe.

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Wir wohnen in einem wunderschönen Ort inmitten von Weinbergen. Unser kleiner Garten, den wir schon immer liebevoll gepflegt haben, kommt mir seit der Krise wie ein kleines Paradies vor und die Blumen wie ein kleines Wunder. Dass sich schon so lange Zeit ein vollkommen blauer Himmel, ganz ohne Kondensstreifen über uns wölbt und die Sonne ungetrübt auf uns herunterscheint, gibt mir ein ganz neues Lebensgefühl. Auch dass der sprichwörtliche Rentnerstress, den ich bisher eigentlich nie als solchen wahrgenommen habe, vollkommen ausbleibt, gibt mir ein Gefühl von überraschender Entspannung. Unsere nachbarschaftlichen Beziehungen, die schon immer sehr gut waren, haben eine neue Qualität bekommen. Wir halten mit Abstand lange Gespräche. Meine Nachbarin und ich haben sogar abends, jede auf ihrer Terrasse, gemeinsam gesungen, als wir im Gemeindeblatt dazu aufgefordert wurden. Auch im Neubaugebiet in unserer Nähe wird abends von den Balkonen aus gesungen zu den Klängen von Gitarren und einer Tuba.

In unserem wunderschönen kleinen Park in der Ortsmitte, der seit Anfang des Monats wieder geöffnet ist, sehe ich unglaublich viele junge Familien mit Vätern, die Kinderwagen schieben, ein Baby umgeschnallt haben oder mit ihren Kindern spielen. Die Kinder wirken alle sehr fröhlich und die jungen Mütter völlig entspannt. Man sieht zu jeder Tageszeit Paare jeden Alters Hand in Hand gehen. Mir selbst begegnen häufig Menschen, die ich kaum kenne und die sich nach meinem Befinden erkundigen und tiefe Gespräche mit mir führen. Ein junger DJ aus unserer Gemeinde überreichte mir sogar seine Visitenkarte mit dem Angebot, jederzeit für uns einzukaufen, wenn wir ihn anrufen.

Auch zu Hause erhalten wir ungewöhnlich lange Anrufe von besorgten Freunden und Menschen, mit denen wir nur gelegentlich zu tun haben. Überall schlägt uns so viel Anteilnahme und Zuneigung entgegen, wie ich es nie erwartet hätte. Nachdem wir auch unsere Kinder und Enkelkinder, die entfernt wohnen, nicht sehen können, hören wir telefonisch viel mehr als sonst von ihrem Alltag.

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Meine große Hoffnung ist, dass auch nach dieser schweren Zeit dieses gute Miteinander bestehen bleibt und damit das Wissen, dass man sich auf ein stabiles soziales Netz verlassen kann.

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Alle Beiträge des Erzählprojektes »Die Liebe in Zeiten von Corona«

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