Kommunion-Streit: »Es geht um Leben und Tod«

Wer das alles nicht mehr versteht, ist nicht allein: Selbst ein hochrangiger deutscher Kardinal fiel gestern Abend aus allen Wolken, als ihm ein Brief aus dem Vatikan zugestellt wurde: Reinhard Marx, Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, ließ zu später Stunde wissen: »Der Brief des Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre« habe ihn »heute Abend (4. Juni 2018) erreicht«. Und was darin stand, muss ihn schier fassungslos gemacht haben: Luis Ladaria, Erzbischof und Leiter der römischen Glaubenskongregation, hat den mit großer Mehrheit von der Deutschen Bischofskonferenz beschlossenen Entwurf einer Handreichung zur Kommunion mit Protestanten zurückgewiesen.
Das Dokument werfe Probleme mit erheblicher Tragweite auf, schreibt Ladaria an Marx. Der Papst (!) sei zu dem Schluss gekommen, »dass das Dokument noch nicht zur Veröffentlichung reif« sei.
Das bedeutet eine radikale Kehrtwende in Rom – findet offenbar auch Marx: Bei einem Gespräch deutscher Bischöfe mit Franziskus am 3. Mai in Rom sei »den dort teilnehmenden Bischöfen« gesagt worden, »dass sie im ›Geist kirchlicher Gemeinschaft eine möglichst einmütige Regelung‹ finden sollten«. Er, Marx, sei deshalb »überrascht, dass noch vor dem Finden einer solch einmütigen Regelung jetzt dieses Schreiben aus Rom eingegangen ist«.
Der diplomatische Duktus, den Marx wählt, spricht Bände: Er fühlt sich von Rom düpiert. War er es doch, der bei der Frühjahrsvollversammlung im Februar in Ingolstadt dafür plädiert hatte, die Frage nach der Teilnahme evangelischer Christen an der katholischen Kommunion als pastorale Frage zu behandeln. Also als eine Frage der Seelsorge, ganz praktischer Natur. Dies ließ eine Entscheidungsfindung zu, die eine Zweidrittelmehrheit ausreichend machte. Und die den Deutschen genutzt hätte. In keinem anderen Land der Welt werden so viele evangelisch-katholische Ehen geschlossen. Deshalb sollte es eine bischöfliche Handreichung geben: Wie umgehen mit konfessionsverschiedenen Paaren, die gemeinsam zur Kommunion gehen wollen? Das sollte – im Ausnahmefall – leichter und selbstverständlicher möglich gemacht werden als bislang.
»Kasperletheater« um »Leben und Tod«
Gegen den Beschluss der Deutschen Bischofskonferenz liefen sieben deutsche Bischöfe unter ihren Anführer Rainer Maria Woelki Sturm. Ihr Hauptargument: Es gehe nicht um eine bloße Frage der Seelsorge, es gehe um die Natur die Kirche, um eine dogmatische Frage von weitreichender Konsequenz. Kölns Kardinal Woelki sprach am Fronleichnamsfest wieder davon. Man hatte den Eindruck: Er will um nichts in der Welt locker lassen. Dafür stand auch seine drastische Wortwahl: Manche meinten ja, so Woelki, es gehe bei dem Kommunion-Streit um »Kasperle-Theater«: »Ich meine: Es geht um Leben und Tod.«
Offenbar ist damit »Leben oder Tod« der heiligen römischen Kirche gemeint, deren Katholizität Woelki dahingeschlachtet sieht, sollten Nicht-Katholiken in Zukunft mit einer gewissen Selbstverständlichkeit zum Tisch des – katholischen – Herrn zugelassen werden. Gar eine Einladung an sie auszusprechen, ist für ihn jenseits des Denkbaren. Die katholische Kirche sei »keine Nationalkirche« – so sein Hieb gegen den deutschen Protestantismus. Und weil man nun einmal keine sei, müsse für die Kommunion-Frage eine »weltkirchliche Lösung« her.
Kardinal Marx beim Krisengipfel im Vatikan unterstützen:
Ich unterstütze den »Offenen Brief an Kardinal Reinhard Marx«
Petition der KirchenVolksBewegung .../mehr
Was ist los mit Franziskus?
Jenseits der Überraschung und des Ärgers in Deutschland stellt sich die Frage: Was um alles in der Welt ist los mit dem Pontifex?
Hatte er noch Anfang Mai eine Brücke zwischen den Streitparteien gebaut und die Entscheidung – getreu seiner allgemeinen Dezentralisierungs-Strategie – an die deutschen Bischöfe zurück verwiesen, scheint er jetzt zu einer zentralistischen Basta-Politik zu schreiten. Hat ihn unter Umständen das aktuelle Chile-Desaster so sehr erschöpft, hat er dort zu klar Machtworte gegen Machtmissbraucher sprechen müssen? Und überträgt er nun, einmal »im Brass«, die Machtwort-Strategie auf die deutsche Kirche?
Oder benutzt Erzbischof Ladaria die aktuelle Erschöpfung des 81-Jährigen – dem die chilenischen Exzesse den Schlaf rauben dürften –, um seine eigene Politik zu machen? Hatte Ladaria sich doch jüngst auch betonköpfig zur angeblichen Unmöglichkeit der Frauenordination geäußert – und dabei auf das Kirchenrecht gepocht. Dieses Recht zieht Ladaria auch heran, um den Protestanten die katholische Kirchentür zu weisen: Canon 844 bestimme, dass die Sakramente nur Katholiken gespendet werden dürften. Ausnahmen seien nur möglich »in Todesgefahr« oder »schwerer Notlage«. Das ist seeeehr alter Kirchensprech. Und eine seeehr konservative Interpretation des kirchlichen Rechts.
Auch ein dritte Möglichkeit gibt es, die die Kehrtwende erklären könnte: Der deutsche Kommunion-Streit ist ein Sonderfall der römischen Weltkirche. Kurz gesagt: Die Probleme, die die innerchristliche Ökumene im Land Luthers aufwirft, kennt die Weltkirche nirgendwo sonst. Warum – so könnten sich manche Vatikanistis fragen – sollte man einem kleinen Haufen versprengter Protestanten, die durch zunehmende Kirchenaustritte auch noch immer weniger werden, die heilige Einheit und bischöfliche Kollegialität der katholischen Weltkirche opfern? Warum sollte man theologisch und pastoral begründet in Deutschland etwas möglich machen, was in vielen anderen katholischen Ecken der Welt überhaupt nicht verstanden – oder missverstanden – wird?
Dazu passt, dass der Papst einer evangelisch-lutherischen Delegation aus Deutschland am Montag erklärte, in Sachen Ökumene dürfe man »nicht ungestüm vorpreschen, um begehrte Ziele zu erreichen«. Das ist nun wirklich sehr »römisch« gesagt: Die Reformation liegt 500 Jahre zurück. Seit dieser Zeit wird über das rechte Verständnis von Kommunion und Abendmahl gestritten, werden unverständliche Worte wie »Realpräsenz« und »Transsubstantiationslehre« bemüht. Es gibt nur noch wenige Erleuchtete, die erklären können, was damit gemeint ist.
Und das heißt am Scheitelpunkt jener Glaubensfrage um das heilige Mahl: Man kann auch so langsam vorpreschen in der Ökumene, dass am Ende, wenn man sich endlich geeinigt hat, niemand mehr versteht, worum es eigentlich ging.
Allein diese Tatsache könnte dazu führen, dass sich die Katholische Kirche noch weiter vom Kirchenvolk entfernt.
Aufgrund der dogmatischen Bestimmungen zur Geburtenkontrolle durch Papst Paul VI. ist das Kirchenvolk längst gespalten.
Die dogmatische Haltung des gegenwärtigen Papstes Franziskus dürfte ein Übriges tun, um diese Spaltung noch zu vertiefen.
Es kommt schließlich zu einer massenhaften Abwendung auch solcher Kirchenmitglieder, die die starre Haltung des Vatikans bisher klaglos mitgetragen haben.
Da die Kurie in Rom jedwede Reformbereitschaft vermissen läßt, könnte es zu einer Distanz weiterer Katholikinnen und Katholiken zu ihrer Kirche kommen.
Es ist - wie auch die kirchlichen Verantwortlichen längst erkennen mussten - die schleichende Abkehr von einer Organisation, die mit ihrer grundlosen Rechthaberei den Bogen deutlich überspannt hat.
Gott will es offenbar so.
Die Glaubwürdigkeit der Kirche schwindet, und „der institutionalisierte Glaube droht zum „Grab des Glaubens an den lebendigen Gott der Bibel zu werden".
Das Konzil hat mich geprägt und ich habe versucht, meine Beauftragung als Seelsorger ernst zu nehmen. Die Frage, ob der evangelische Partner in einer konfessionsverbindenden Ehe die Kommunion empfangen darf oder nicht, war für mich und viele Seelsorger kein theologisches Thema mehr, die Botschaft Jesu wurde verkündet und gelebt, wie Jesus es getan hat. Heute scheint es leichter zu sein für einen evangelischen Christen/eine evangelische Christin zum Mond zu fliegen, als die Kommunion zu empfangen.
Ich wünsche, aus Liebe zur frohmachenden Botschaft Jesu Christi und aus Liebe zur Kirche, Brot für dich, Brot für mich, Brot für alle Menschen, die hungern nach Gerechtigkeit.
Hubertus Janssen, Pfarrer im Ruhestand.
Ich für meine Person fühle mich auch als Katholik beim protestantischen Abendmahl selbstverständlich eingeladen, auch wenn dies Rom anders sieht.
Das irritiert. Bekommt die Kurie, dieser immer noch übermächtige Apparat, diesen bislang beeindruckenden Papst "in den Griff"? Das wäre über die an sich schon bedenkliche Entwicklung in dieser wichtigen Frage hinaus ein erschreckendes Zeichen.
Lassen wir uns nicht von der Macht korrumpieren, indem wir ihr blindlings folgen! Über allem steht das Gewissen. Tun wir also, was wir als richtig, als christlich erkannt haben, allen Widerständen zum Trotz. Maßstab unseres Handelns kann nicht das Kirchenrecht sein, das gesetzt worden ist, um der Hierarchie die Macht zu sichern. Nein, Maßstab ist die Botschaft vom Reich Gottes, die uns der Mann aus Nazaret verkündet und vorgelebt hat. Wer sich daran hält, ist Kirche, Gemeinde des Herrn.
Wenn wir noch lange über die rechte Ökumene streiten, wird kein Mensch mehr da sein, den das interessiert. Eine Institution kann sich auch überleben...
Mit seiner Eucharistie-Entscheidung (und seiner Wiederholung des Verbots der Frauenordination aus der letzten Woche) erweist er sich als Vertreter einer androzentrischen, reformverweigernden Machtkirche, die sich einigelt in einem versteinerten Mausoleum – abseits der Wirklichkeit und fernab ihrer Zentralaufgabe, nämlich für die Menschen da zu sein; in nuce: diakonia!
Klerikalismus, Juridismus und Papalismus feiern fröhliche Urständ – eine Tragödie und Verrat am Mann aus Nazareth – doch wen interessiert das noch?!
Paul Haverkamp, Lingen
Sie geben so ihrer Sehnsucht nach Eucharistiegemeinschaft Ausdruck und leben bereits teilweise die Vision von einer Einheit der Kirche in versöhnter Verschiedenheit.
Die pastorale Praxis vor Ort hat die Erlaubnis- bzw. Verbotsdiskussion des Lehramtes längst eingeholt. Für konfessionsverbindende Paare ist oft nicht nachvollziehbar, dass die/der evangelische Partner/in nicht die Eucharistie empfangen darf. Oft suchen Paare daher eine private Lösung.
Unsere Vision ist deshalb die baldige Verwirklichung gegenseitiger Gastfreundschaft in Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft, wo sie noch nicht besteht.