Leserbrief
Das Böse ist relativ
Der Beitrag von Martin Hecht ist das Beste und Deutlichste, was ich über das Böse in einer Zeitschrift gelesen habe. Er benennt das Böse und die Bösen und beschreibt die kranken, aber gebräuchlichen Mechanismen, böse Taten zu rechtfertigen, ihnen einen »anständigen« Rahmen zu geben sowie sämtliche Abwehrmechanismen, über die der Mensch verfügt, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Was krank ist, unmenschlich, nicht verzeihbar, gestört, atavistisch, wird deutlich. Das Interview, eine Seite weiter, zeigt wieder den schwurbeligen Verneblungsmechanismus, dessen sich Theologen bedienen. Alles ist eigentlich gut, aber der Mensch kann ja auch anders, aber er wird doch von Gott getragen, wenn er bereut und so weiter. Es klingt wie Hohn gegenüber den Kriegstoten, dass trotz Schuld der Mensch getragen und gehalten wird. Du bist gerechtfertigt, bei jeder Schuld, die du auf dich geladen hast. Du bist geliebtes Kind Gottes! Da muss ich schlucken. Wenn ich Böses tue und eine Hintertür zur Vergebung offen bleibt, muss ich mich nicht grämen und nicht schämen. Wie tragisch ist diese Logik! Wilhelm Stauch-Becker, Stuttgart
Wenn »das Böse« unabhängig von menschlichem Tun und Denken versachlicht wird beziehungsweise als »der Böse« personalisiert wird, dann ist man schnell beim Teufel, mit dem der Artikel ja auch illustriert ist. Das finde ich problematisch, weil es den Menschen ihre Verantwortlichkeit für ihr Tun abspricht. Im Grunde geht es um menschliches Tun, das entweder als böse oder als gut bewertet wird. Aber deswegen ist der Mensch in seinem Sein nicht böse, denn er ist von Gott als Mensch gut geschaffen. Dass böses Tun in der Regel als gutes Tun dargestellt wird, bedeutet ja nicht nur, dass der Täter sein Tun zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil seiner Lebensgemeinschaft gut findet, damit aber praktisch auf Kosten und zum Nachteil anderer lebt. Sondern es bedeutet auch, dass gutes und böses Tun relativ ist und nicht absolut gut oder absolut böse ist. Gottfried Keller, Berlin
Der Artikel »Die Masken des Bösen« von Martin Hecht lässt mir keine Ruhe. Die Frage, wie eine böse Tat mit dem Gewissen zu vereinbaren ist, hat große Bedeutung. Auch die Antwort, dass wir Heucheln und eine Maske aufsetzen, um uns selbst und andere zu täuschen, leuchtet mir ein. Aber die Beispiele führen in die Irre. Genannt werden Amokläufer, Diktatoren, Nazis, namentlich erwähnt werden Hitler, Stalin, Bush, Trump und Putin – der sogar mehrfach und samt Bild. Wenn auf diese Menschen der Finger gerichtet wird, kann ich mich zufrieden zurücklehnen. Ich bin nicht gemeint, ich tue nur Gutes. Für falsch halte ich die Aussage: »Es gibt demnach keine absolute Moral.« Doch! Auch wenn, wie der Verfasser anmerkt, zu jeder Zeit kollektiv verbindliche Wertsysteme herrschen und die böse Tat sich darin einreiht, bleibt die böse Tat böse. Klaus Grenzdörffer, Bremen
Gespannt wollte ich mich mit dem wahrlich höchst bedeutungsvollen Thema »Das Böse« beschäftigen. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich die Abbildungen von Wladimir Putin sah. Und ich bin entsetzt, dass der Autor so unumwunden das Böse vorwiegend an der Person Putins festmacht. Den Artikel finde ich hochinteressant und die Analyse des Bösen absolut lesenswert. Abstoßend und nach meiner Meinung nicht zu akzeptieren ist jedoch der Versuch, einen einzelnen Menschen grundsätzlich als »das Böse« darzustellen. Es hat meines Erachtens tatsächlich etwas von Kriegshetze. Christa Fenge-Huber, Trebel
