»Lasst uns die Reformation radikalisieren«
Publik-Forum: Herr Professor Duchrow, Sie haben sich intensiv mit Luther als einer prophetischen Figur im Frühkapitalismus beschäftigt. Worin besteht Ihrer Meinung nach sein bleibendes Vermächtnis?
Ulrich Duchrow: Seit dem 11. Jahrhundert kommt es zu einem Erstarken der Geldwirtschaft, die schließlich in eine Herrschaft des Geldes mündete. Zwar waren Zinsen von der Bibel und vom römischen Recht verboten. Trotzdem entwickelte sich eine blühende Zinswirtschaft. Die damalige Kirche hat daraus Kapital geschlagen, indem sie ein System entwickelte, wonach man sich durch Geld von Fegefeuerstrafen freikaufen konnte. Dazu kommt, dass durch die einflussreiche Theologie des Anselm von Canterbury kapitalistische Denkmodelle quasi spiritualisiert wurden.