Ausstellungstipp: Louisa Gagliardi
Von digitalen Träumen heimgesucht

Ausstellung. Ein Auto steht in einer Sumpflandschaft, die Türen weit geöffnet, Kraniche umkreisen das Fahrzeug, sitzen auf und in dem Wagen, im Hintergrund triste Baumskelette und braunes Schilf. »Swamped« heißt das Bild und man fragt sich: Wo sind die Menschen hin? Auf einem anderen Bild mit dem Titel »Green Room« sitzt eine Gruppe Menschen auf einer türkisfarbenen Sofa-Rotunde und starrt vor sich hin. Sie haben violette, grüne und rostrote Gesichter. Ihre Körper sind durchsichtig, gespensterhafte Schemen. Hier findet keine Interaktion statt. In großen »Fenstern« beschnüffeln sich zwei Hunde – bei näherer Betrachtung sieht man, dass die Fenster eigentlich Leinwände sind, ein Bild im Bild. Schließlich ein separater Raum mit der immersiven Installation »Streaming«: Man geht hinein und wird Teil des Kunstwerks. Auf dem Boden Skulpturen von riesigen Armbanduhren, ringsum sind überlebensgroß zwei Personen abgebildet, halb zugedeckt und schlafend. Die Matratzen, auf denen sie liegen, sind Wasserfälle, diverse Gegenstände sind umrisshaft sichtbar.
Das sind die dystopisch-surrealen Bildwelten der 1989 im Kanton Wallis geborenen Louisa Gagliardi. Sie hat Grafikdesign in Lausanne und Amsterdam studiert; nicht ganz verwunderlich also, dass sie ihre großformatigen Werke zunächst am Bildschirm mit der Computermaus malt. Der Tintenausdruck erfolgt auf PVC. Auf Keilrahmen aufgespannt, bearbeitet sie die Bilder dann noch mit Gel, Lack oder Glitter. An manchen Stellen der Oberfläche entstehen so filigrane Hervorhebungen, vor allem aber bekommen die Bilder dadurch einen perlmuttartigen Glanz. Der matt-kühle Schimmer lässt an das Leuchten unserer Bildschirme denken, zugleich assoziiert man das fahle Mondlicht.
»Many Moons« heißt denn auch Gagliardis große Einzelausstellung, die im Museo d’arte della Svizzera italiana (MASI) in Lugano gezeigt wird. Kalt und verletzlich zugleich erscheinen ihre wie aus einem imaginären Zwischenreich kommenden Figuren. Sie wirken oft erschöpft, müde oder von Träumen heimgesucht. »Ich wollte, dass der Betrachter beim Betreten des Raumes ganz in die Gemälde eintaucht. Er soll ein leichtes Gefühl des Unbehagens haben, ähnlich wie ein ungebetener Gast«, sagt Louisa Gagliardi. So sehr die Menschen in ihren Bildern Angst, Einsamkeit und Isolation fühlbar machen, so sehr berühren sie auch in ihrer Verwundbarkeit.
»Louisa Gagliardi: Many Moons« ist bis 20.7. im MASILugano zu sehen;
www.masilugano.ch
