Revolutionäre, wo seid ihr geblieben?

Die älter werdende Generation steht stets in der Gefahr, den Jüngeren ein mäkliges »So nicht!« zuzurufen und sie mit der Keule eigener Lebenserfahrung zu traktieren. Wer den Kindern und Enkeln vorwirft, was sie nicht tun, aber dringend tun müssten, nimmt wohl seine eigene Sicht auf die Welt zu wichtig. Ich frage mich oft: Was heißt das für das Erbe der Friedlichen Revolution?
Die »Generation ’89« muss sich davor hüten, nachfolgenden Generationen immer wieder dieselben Heldengeschichten vom mutigen Aufbruch und den Schrecken der Stasi zu erzählen. Stattdessen wäre es nötig, ehrlich zu sagen, wie oft wir resigniert waren, wie oft wir schwiegen, wo wir hätten reden sollen. Und wie sehr uns die Angst trieb, unangenehme Konsequenzen tragen zu müssen und zugleich nichts zu erreichen. Außerdem bewegte uns die Perspektive »Abhauen« statt »Widerstand leisten«. Abertausende verließen denn auch das Land mit der Erwartung eines materiell besseren Lebens.
Die Diktatur produzierte viel Anpassung. Nun sind wir alle im Reich der westlichen Freiheit, die nach ganz eigenen Anpassungsmechanismen funktioniert. Da begegnen einem neue: zum Beispiel der Mechanismus, am besten für nichts zu stehen, um allen gefallen zu können. Elegante Schnellaufsteiger, junge, geschmeidig auftretenden Glattgesichter in Nadelstreifen, verharren da gern in vornehmer Distanz zu all den Welt-Problemen, die andere unglücklich, wütend, traurig und widerständig machen. Party feiern, sich entspannt hinsetzen, statt sich mühevoll für andere einzusetzen: Das ist ihr Credo. Natürlich, der Job ist wichtig, das Geld ein Lebensthema. Und so wird schon mal ein jugendlicher abgewählter Gesundheitsminister zum Lobbyisten bei der Alli

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