Leserbrief
Angst als guter Ratgeber?
Zu: »Jetzt doch mit Putin verhandeln?« (19/22, Seite 8)
Der Krieg in der Ukraine ist eine existenzbedrohende Gefahr nicht nur für die Kriegsparteien, die Ukraine und Russland, sondern für alle Staaten, für alle Völker, für die Menschheit. Ein Krieg innerhalb der Staatengemeinschaft kann und darf nicht länger geduldet werden. Das Ende des Krieges durch Sieg einer der Kriegsparteien ändert an diesen Gefahren nichts. Eine Rettung der Kriegsparteien und letztlich der Menschheit kann nur ermöglicht werden, wenn der Krieg durch Vereinbarung zwischen den Kriegsparteien und mit der Hilfe von allen Staaten beendet wird. Die Kriegsparteien können eine Vereinbarung zur Beendigung nur abschließen, wenn beide Parteien zu Konzessionen gegenüber der feindlichen Kriegspartei bereit sind und keine eindeutig als Sieger herausgestellt wird. Hinrich Bartels, Nordenham
Mit Blick auf die möglichen Szenarien sind wir im Interesse einer funktionierenden Welt gut beraten, Putin einen Weg aus der Misere zu ermöglichen, in die er sich verstrickt hat. Putin ist schon heute der größte Verlierer. Er hat sein Kriegsziel nicht erreicht und er wird es nicht erreichen. Die Restriktionen beuteln sein Land. Weltweit hat er Reputation verloren und, was für ihn besonders schmerzlich ist, auch im eigenen Land. Dessen ungeachtet hat er noch immer großen Einfluss auf Syrien, den Iran und andere Länder im Nahen Osten und in Afrika. Gemessen an den Erfahrungen im Ukrainekrieg wird er nicht, wie Ludwig Greven vermutet, als Nächstes Polen oder die baltischen Staaten überfallen. Putin hat seine Lektion gelernt und die Grenzen seiner Möglichkeiten erkannt. An Putin wissen wir, was wir haben. Wer nach ihm kommt, wissen wir nicht. Wenn auch einzelne russische Bürger westliche Wertvorstellungen unterstützen, so ist eine raumgreifende, demokratische Entwicklung nicht in Sicht. Darum ist Putin zurzeit noch die beste aller schlechten Alternativen. Horst Meder, Weil der Stadt
Es ist erstaunlich, wie viele Diskutanten aus unterschiedlichen Gefühlen heraus (verdachtsweise hauptsächlich Angst) argumentativ einen Despoten (Putin) das Gesicht wahren lassen wollen! Wir haben in unserer Geschichte doch ein klassisches Beispiel eines Despoten (Hitler), der nur durch eine kriegerische Niederlage beseitigt werden konnte. Europa hat damals schon versucht, beschwichtigend auf Hitler einzuwirken – mit dem bekannten Ergebnis! Sollte sich Geschichte tatsächlich so wiederholen? Heute die Ukraine – morgen Nordeuropa? Bedauerlicherweise müssten selbst die friedensbewegten Bürger erkennen, dass sich Freiheit nicht von selbst verteidigt, sondern tagtäglich verteidigt werden muss. Gustav Haab, publik-forum.de
Publik-Forum EDITION
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Ludwig Greven vertritt eine widersprüchliche Position. Man muss Putins Drohungen mit Atomwaffen sehr ernst nehmen, schreibt er, aber was folgt für ihn daraus? Nichts. »Mit Staatsterroristen darf man nicht verhandeln«, heißt es bei ihm. Ich empfehle ihm das Buch »The Doomsday Machine« von Daniel Ellsberg, das 2017 erschienen ist, aber erstaunlicherweise noch nicht auf Deutsch. Ellsberg, ein Insider der US-amerikanischen Nuklearstrategie, nennt volle 25 Gelegenheiten, bei denen die USA erfolgreich die Drohung mit Atomwaffen eingesetzt haben, von Hiroshima und Nagasaki angefangen über den Koreakrieg bis zu Libyen 1996. Es erstaunt nicht, dass andere beginnen, das nachzumachen. Aber die Menschheit steht damit am Abgrund. Gerd Büntzly, Herford
Wir verdanken unser heutiges Leben nur der Tatsache, dass damals in der Kubakrise die zwei mächtigsten Staatsführer der Welt ganz einfach pure Angst hatten – und deshalb gesprächs- und kompromissbereit wurden. Angst ist ein guter Ratgeber. Prinzipientreue und Mut bringen uns einen Schritt weiter, wenn wir wie jetzt direkt am Abgrund stehen. Gerd Gröschner, Felsberg