Überforderung in allerlei »Beziehungskisten«

Der reißerische Titel entspricht nicht dem seriösen Inhalt. Denn der Autor, Psychologe, Soziologe und therapeutische Paar- und Sexualberater, legt hier ein sehr eigenständiges Buch vor mit neuen Erkenntnissen. Unsere festgefahrenen Vorstellungen von Sexualität haben seiner Meinung nach zwei Gründe: die Festlegung der Geschlechtsverhältnisse im Patriarchat und die Genitalisierung mit ihrem Leistungs- und Orgasmuszwang. Die im 19. Jahrhundert aufkommende Sexualwissenschaft jedoch klärte nicht nur auf, sie definierte auch, wie Sexualität zu sein hätte. Damit wurde die Grundlage zu einer Medizinalisierung gelegt, die inzwischen die Sexualität kontrolliert. Kein Wunder, dass die »postmodernen Beziehungskisten« den Einzelnen überfordern. Die Verantwortung, die früher Kirche und Gesellschaft trugen, hat er nun selbst übernommen. Der Verlust der Werte soll durch Überhöhung der Sexualität ausgeglichen werden, was zu einer hypochondrischen Einstellung zur Partnerschaft führt. Ein bedenkenswerter neuer Zugang zu einem jahrhundertealten Dauerthema.