»Die brennenden Fragen wurden nie geklärt«
Ungarn macht Schlagzeilen. Denn es marschiert, wie das Ergebnis der Parlamentswahlen zeigt, nach rechts. Dies allerdings ist eine Problemanzeige, die nicht nur das Land an der Donau trifft. Überall in Mittel-Ost- und Südosteuropa wächst das rechtsextremistische Bedrohungspotenzial. Opfer der von Rechtsextremisten in diesen Ländern mit äußerster Brutalität verübten Gewaltakte sind vor allem Minderheiten wie Roma, Juden, Homosexuelle und »Fremde«. Dass sich die christlichen Kirchen vor Ort dieser Entwicklung nicht machtvoll entgegenstellen, sondern zu Teilen selbst sich vom rechten Spektrum vereinnahmen lassen, darin liegt der Skandal. Was die beiden Osteuropakenner Gregor Mayer und Bernhard Odehnal in ihrem Buch »Aufmarsch. Die rechte Gefahr aus Osteuropa« in Reportagen und Analysen über das gefährliche Treiben der dortigen Rechtsextremisten schildern, ist schlicht alarmierend.
Ungarn – rechter Spitzenreiter
Unter den einstmals kommunistisch beherrschten Ländern des damaligen Osteuropa nimmt Ungarn mit seiner kaum mehr überschaubaren Vielzahl an rechtsextremistischen Gruppierungen und Organisationen, die neben den mehr oder weniger rechtskonservativen Parteien agieren, unstrittig die Spitzenstellung ein. Vor allem ist in Ungarn das Gewaltpotenzial bei den Rechtsextremisten – bis zu Morden an Roma – am weitesten und stärksten ausgebildet. 2009 wurden von Rechtsextremisten mehrere schwere Anschläge auf Roma-Häuser verübt, bei denen Menschen, auch Kinder, zu Tode kamen, ohne dass dies eine nennenswerte Reaktion seitens der Politik oder innerhalb der ungarischen Gesellschaft ausgelöst hätte. Auch von den Kirchen war kein Aufschrei zu hören. Nur einmal meldeten sich die ungarischen reformierten Bischöfe zu Wort. Im September 2009 veröffentlichten sie einen Hirtenbrief, in dem sie vor den Verkündern eines neuen heidnischen »ur-ungarischen Synkretismus« warnten, nach dem Jesus und Maria »Ungarn« gewesen seien. Viele Anhänger der rechtsextremen Jobbik, »Die Besseren«, sympathisieren mit dieser kruden Lehre. Das Hirtenwort allerdings hatte vor allem den Grund, die Kirche vor konkurrierenden pseudoreligiösen Strömungen zu schützen. Auch nach den Ergebnissen der jüngsten Wahl hüllt sie sich weiter in Schweigen. Das schließt karitative und fürsorgliche Tätigkeiten einzelner Pastoren und Kirchenpersönlichkeiten, die zu den Roma und anderen Randgruppen gehen, nicht

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