Kolumne von Katharina Müller-Güldemeister
Click and go

Neulich war ich in einem Museum in Berlin und habe mir die Ausstellung »Surreale Welten« angeschaut. Es herrschte diese typische Museumsruhe, die nur ab und an von geflüsterten Sätzen und vom leisen Knatschen der Schuhsohlen unterbrochen wird. Als Kind hat mich diese Andächtigkeit ungeduldig gemacht, mittlerweile mag ich sie recht gern. Jedenfalls fiel es mir in dieser Atmosphäre leicht, mich auf die absurden und unheimlichen Stimmungen einzulassen, die von den Bildern ausgehen.
Lange blieb ich vor einer Radierung von Francisco de Goya stehen, die eine junge Frau zeigt, die gedankenverloren in einem Verlies sitzt: So düster und kalt die Wände. So fein der Faltenwurf ihres Kleides. Dazu der herzzerreißende Titel: »Weil sie sensibel war«. Was hatte sie wohl getan, um in diese Lage zu geraten?
Der nächste Raum hing voll mit Radierungen von Giovanni Battista Piranesi. Seine erfundenen Kerker-Architekturen waren düster und monumental und griffen nach mir wie eine kalte Hand.
Da betraten zwei Männer das Museum und begannen, jedes Bild und die dazugehörige Erklärung eiligen Schrittes mit ihren Smartphones abzufotografieren. Beim Scharfstellen piepte jedes Mal der Autofokus. Die kalte Hand aus Piranesis Bildern zog sich zurück – und meine Arme wurden gefühlt so lang, dass sie sich mühelos um die Hälse der beiden Typen hätten legen können. Anscheinend waren sie allein des Fotografierens wegen hergekommen. Kein einziges Bild schauten sie sich genauer an.
Schnell entschloss ich mich zur Flucht in den anderen Teil des Museums. Doch bald holten sie mich ein und fotografierten wieder die Bilder, vor denen ich stand. Nach etwa zwanzig Minuten rauschten sie ab,

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