Schleichende Selbstentmachtung

Es war eine Umdrehung zu viel. Mitte Oktober wollte sich Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einige der Sonderrechte dauerhaft aneignen, die sich sein Ministerium zu Beginn der Corona-Krise gesichert hatte. Verpackt war der Coup im Infektionsschutzgesetz. Als einem der Ersten platzte dem Münchner SPD-Bundestagsabgeordneten Florian Post der Kragen. Via Bild zürnte er: »Seit fast einem Dreivierteljahr erlässt die Regierung in Bund, Ländern und Kommunen Verordnungen, die in einer nie dagewesenen Art und Weise im Nachkriegsdeutschland die Freiheiten der Menschen beschränken, ohne dass auch nur einmal ein gewähltes Parlament darüber abgestimmt hat.«
Post war nicht der einzige, der seinen Zorn entlud. »Der Bundestag und die Landesparlamente müssen deutlich stärker beteiligt werden«, rief die Grünen-Abgeordnete Britta Hasselmann. Und FDP-Chef Christian Lindner forderte, das Parlament müsse »als erste Gewalt jetzt auch wieder entscheiden«. Selbst Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) war irritiert. Beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gab er eine Expertise für »Maßnahmen zur Stärkung des Bundestages gegenüber der Exekutive« in Auftrag.
Flugs beantragte die FDP für die letzte Oktoberwoche eine Debatte zu den Corona-Maßnahmen unter der Überschrift: »Demokratie und Parlamentarismus stärken«. »Demokratiedefizite« beklagte der Linken-Abgeordnete Jan Korte. »Es kann nicht allen Ernstes so weitergehen!«, rief er.
Doch letztlich war die Debatte über die eigenen Rechte eine vertane Chance, denn nicht nur in der Corona-Krise haben die Abgeordneten das Zepter aus der Hand gegeben. Längst geben andere in den großen Fragen den politischen Takt vor: die K

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