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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 1/2023
Der Inhalt:
Religion & Kirchen

Leserbrief
Mythos Jungfräulichkeit

vom 06.11.2023

Zu: »Liebessehnsucht« (23/22, Seite 37)

Das Anliegen, Erotik und Sexualität mit dem Gottesglauben zu versöhnen, ist zu begrüßen. Diese alte Feindschaft aber mit der mythischen Figur der Jungfrauengeburt zu beheben überzeugt nicht. Sie steht zu sehr für Asexualität, ja Sexualfeindschaft und -angst. Modelle gelungener Sexualität bei aller »Andersheit« der Partner: sie täten der Liebessehnsucht Glaubender sicherlich gut. Doch nicht mittels eines neurotisierenden Abspaltungsmythos. Eine derart dargestellte göttliche »Innigkeit« hilft nicht – und wird dem biblischen konfliktbehafteten Gott nicht gerecht. Ludger Gaillard, Göttingen

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 01/2023 vom 13.01.2023, Seite 58
Von der Zukunft lernen
Von der Zukunft lernen
Warum es so schwer ist, sich auf Vorhersehbares einzulassen

Die Ausführungen von Herrn Negel sind reichlich spekulativ – und können es auch nur sein; denn wir wissen über Maria – Mirjam, die Mutter Jesu, Jeshuas – so gut wie nichts. Aber es ist ein Unterschied, ob wir die Spekulationen abheben oder auf der Erde lassen. Was können wir wissen? Mirjam war wahrscheinlich ein Mädchen von 13 oder 14 Jahren, das war das übliche Alter. Der Mann wird selten erwähnt – was eigentlich beleidigend für einen jüdischen Vater ist. Frauen und Mädchen mussten nicht selten als Haussklavinnen arbeiten und ihren Herren auch sexuell zu Diensten stehen. Wenn das »hochheilige« Paar zur Zeit der Geburt unterwegs war, ist es nicht unwahrscheinlich, dass es schon vorher auf der Flucht war, denn die Volkszählung wurde äußerst brutal durchgeführt. So in etwa könnte es gewesen sein. Ich gebe zu, auch das ist spekulativ, aber es bleibt auf dem Boden der irdischen Wirklichkeit. Gott ist Liebe – ja, aber nicht abgehoben. Andreas Hämer, Großrosseln

Herr Negel unterschlägt in seinem Beitrag, dass das Märchen von der Jungfrauengeburt Mariens auf einem Fehler bei der Übersetzung des hebräischen Bibeltextes ins Griechische (Septuaginta) beruht. Dabei wurde die hebräische almah = junge Frau falsch mit parthenos = Jungfrau übersetzt. Da sich Matthäus bei der Abfassung seines Evangeliumstextes auf die Septuaginta stützte, gelang diese Falschübersetzung in das Neue Testament und entwickelte sich zu einem ganzen theologischen Kapitel. Es ist unredlich, diesen Umstand zu verschweigen und ihn auch noch mit einem theologischen Anstrich zu versehen. Es gibt diese Jungfrauengeburt nicht, und das muss auch so gesagt werden. Ansonsten brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die kirchliche Lehre nicht mehr ernst genommen wird. Manfred Flerus, Königswinter

»Gott ist vollkommene Einheit in der Verschiedenheit«, wie es Joachim Negel in »Liebessehnsucht« formuliert, eines der unergründlichsten Geheimnisse unserer Gottesfragen. Ob für diese »Innigkeit« die jungfräuliche Zeugung und Geburt eine hilfreiche Metapher sein kann? Dass dabei jede »Rivalität« und der in Beziehungen häufige »Machtkampf« rauszuhalten sind, bringt auch keine größere Lebensnähe in diese Geschichte. Joachim Negels Intention könnte auf der Spur, die Martin Buber in »Ich und Du« gelegt hat, fruchtbar aufgenommen werden. Das dialogische Prinzip wird in der Dynamik des Prozesses deutlich: »Der Mensch wird am Du zum Ich«. Den anderen als Du zu erkennen, hilft dem Ich auf dem Weg zu sich selbst und ist ein Schlüssel für die Lösung der Probleme dieser Welt. Kein Geheimnis, sondern offenbare Weihnachtsbotschaft. Georg Grathwohl, Bremen

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Von Joachim Negels Artikel bin ich enttäuscht. Er erwähnt mit keinem Wort die zum Teil groteske Marienverehrung nach der Konstantinischen Wende, durch die Jesus als Pantokrator für die Nöte und Probleme der »kleinen Leute« nicht mehr zur Verfügung stand, dafür aber Maria (Schutzmantelmadonna). Nichts dazu, dass »Jungfrau« und »junge Frau« synonym verwendet wurden, dass den griechisch geprägten Christen ein »Halbgott« leichter zu vermitteln war und der Bibelautor sich Jesu Göttlichkeit nicht anders als durch eine Vaterschaft des Heiligen Geistes vorstellen konnte. Dagegen wird die Jungfräulichkeit offenbar durch die Sehnsucht angenommen, dass die in jeder Beziehung zwischen Mann und Frau auftauchende »Spannung, Rivalität und Verletzlichkeit« bei der Zeugung Jesu keine Rolle spielen sollte (falls ich das richtig verstanden habe.) Das Dilemma kommt doch seit 1700 Jahren dadurch, dass die Ereignisse der Bibel nicht symbolisch oder mythisch aufgefasst wurden, sondern historisch. Daran hat sich trotz Aufklärung in vielen Bekenntnissen innerhalb des Christentums nichts geändert. Hans Erich Müller, Mühlhausen

Was ist das für eine Qualifizierung: »allezeit jungfräulich«? Weiß der Autor etwa nicht, dass Jesus mehrere Schwestern und Brüder hatte? Warum nicht zugeben, dass diese Geschichte ein Mythos ist, der zwei Generationen nach Jesu Tod erfunden wurde, um den damaligen Gläubigen die Rede vom »Sohn Gottes« zu verbildlichen? Die vor Matthäus und Lukas schreibenden neutestamentlichen Autoren, Paulus und Markus, kommen noch ohne diesen Mythos aus und sind doch auch ganz respektable Christen. Für mich ist Weihnachten der Geburtstag eines zeitweise Obdachlosen, der später, in seinem Erwachsenenleben, den Mut aufbrachte, in einer gottlosen Welt die Anwesenheit Gottes zu predigen und vorzuleben – geboren von einer jungen Frau, Vater nicht ganz sicher. Hella Knütel, Hechthausen

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