Pro und Contra
Deutsche Waffen nach Israel?
Volker Beck: Ja!
Seit mehr als einem Jahr muss Israel sich an vier Fronten verteidigen: gegen die Angriffe der Hamas, den Raketenbeschuss der Hisbollah, die Drohnenangriffe der Huthis, die Raketen und Drohnen aus Iran. Israel wird in seiner Existenz angegriffen und bedroht. Es muss seine Bevölkerung schützen und dazu die Hamas kampfunfähig machen. Grundlage und Rahmen dieser Selbstverteidigung ist das Völkerrecht. Israel und seine Verteidigungsstreitkräfte sehen das so, die Bundesregierung sieht das auch so. Es braucht da keine Belehrungen aus Berlin, Washington oder Pretoria.
Israels Selbstverteidigung verdient uneingeschränkte Unterstützung, sonst bleibt das Bekenntnis zu Israels Sicherheit als deutsche Staatsräson ein leeres Wort. Der Bundessicherheitsrat hätte daher zeitnah die von Israel gewünschten Rüstungsexporte genehmigen sollen. Dass es dabei anscheinend Verzögerungen gab, war leichtfertig und könnte von Iran als Ermutigung für eine weitere Eskalation verstanden worden sein.
Anstelle europäischen Oberlehrertums wäre Selbstkritik gefragt. Nicht nur die Russlandpolitik irrlichterte seit mindestens einem Jahrzehnt und erfordert nun eine Zeitenwende; auch in der Nahostpolitik schlafwandelt Europa seit Langem.
Israel badet seit einem Jahr die Naivität des Westens und die Fehler der internationalen Gemeinschaft aus. Drei Beispiele: Der Nukleardeal 2015 ermöglichte es Iran, die eigene konventionelle Aufrüstung und die seiner Verbündeten wie der Hisbollah, der Hamas und der Huthis zu finanzieren. Seit 2006 ignorierte man zudem, dass sich die Hisbollah nicht aus dem Süden des Libanons zurückgezogen hat, wie vom UN-Sicherheitsrat beschlossen. Und dann hat die Finanzierung des Flüchtlingshilfswerks (UNRWA) für die Nachkommen der 1948 aus dem israelischen Staatsgebiet geflohenen und vertriebenen 700 000 Palästinenser die Integration dieser Menschen in den Aufnahmestaaten verhindert. In Gaza waren einige UNRWA-Mitarbeiter als Hamas-Terroristen tätig, viele Einrichtungen des Hilfswerks wurden von der Hamas als militärische Infrastruktur missbraucht. Unter dem UNRWA-Hauptquartier entdeckte Israels Armee ein IT-Zentrum der Hamas.
So wie die meisten europäischen Regierungen erst durch die neuerliche russische Aggression im Februar 2022 aufgewacht sind, sollten wir auch in Deutschland endlich verstehen, was der 7.10.2023 für die Nachbarregion im Nahen Osten tatsächlich bedeutet.
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Konrad Raiser: Nein!
Das Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 hat mehr als 1200 Menschen das Leben gekostet. Babys, kleine Kinder, tanzende Jugendliche, ältere Menschen wurden ermordet. 240 Israelis wurden als Geiseln nach Gaza entführt. Ein Pogrom, wie es jüdische Menschen seit dem Holocaust der deutschen Nationalsozialisten nicht mehr erleiden mussten.
Israel hat geheimdienstliche Warnungen vor einem geplanten Hamas-Anschlag nicht ernst genommen. Die israelische
Regierung reagierte am 8. Oktober mit der Verhängung des Kriegszustandes. Seit einem Jahr geht die israelische Armee gegen die islamistische Hamas vor. Das erklärte Ziel ist es, sie zu vernichten. Aber selbst nach der Tötung des Hamas-Anführers Yahya Sinwar bleibt es doch eine offene Frage, ob die Vernichtung dieses Gegners realistisch und durch das anerkannte Selbstverteidigungsrecht Israels gedeckt ist.
Leidtragende des rücksichtslosen israelischen Vorgehens ist vor allem die Zivilbevölkerung in Gaza. Über 40 000 Menschen sind bei Bombenangriffen ums Leben gekommen, vor allem Frauen und Kinder. Die Infrastruktur der Energie- und Wasserversorgung ist zerstört. Es gibt berechtigte Zweifel daran, ob das israelische Vorgehen noch »verhältnismäßig« im Sinne des Kriegsvölkerrechts ist.
Nach wie vor protestieren in Israel Menschen gegen die Regierung. Sie fordern einen Waffenstillstand und die Freilassung der noch lebenden Geiseln. Die von den USA und arabischen Nachbarn vermittelten Verhandlungen für einen Waffenstillstand sind blockiert, nicht zuletzt wegen verweigerter Zustimmung Israels. Inzwischen hat der Konflikt durch die israelische Reaktion auf den Raketenbeschuss durch die Hisbollah eine gefährliche Ausweitung erfahren. Umso wichtiger ist es, den noch immer erkennbaren Signalen der Bereitschaft für einen Waffenstillstand ernsthafte Beachtung zu schenken.
Dieser Krieg muss um des Lebensrechts der Palästinenser, aber auch um der Sicherheit Israels willen umgehend beendet werden. Die israelische Regierung sollte von den Verbündeten und Freunden Israels gedrängt werden, den ausgehandelten Modalitäten für einen Waffenstillstand zuzustimmen. Für die Bundesregierung heißt das, die restriktive Handhabung der Richtlinien für Rüstungsexporte in Krisengebiete beizubehalten. Sie sollte weitere Waffenlieferungen an Israel stoppen, solange die israelische Regierung sich einer politischen Regelung des Konflikts verweigert und nicht zur Anerkennung der Lebensrechte palästinensischer Menschen und ihres Rechts auf staatliche Selbstbestimmung bereit ist.
Volker Beck ist Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft. Von 1994 bis 2017 war er Bundestagsabgeordneter der Grünen.
Konrad Raiser, emeritierter Professor für Systematische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum, war von 1992 bis 2003 Generalsekretär des Ökumenischen Kirchenrates.
Eckardt Zehner 06.12.2024:
Waffen sind dazu da, um zu verletzen beziehungsweise zu töten. Wer Waffen herstellt oder liefert, macht sich mitschuldig. Und wer das befürwortet, ebenso. Das menschliche Leben darf niemals strategischen Überlegungen untergeordnet werden. Selbst Anführer von Terroristen oder Despoten haben ein Recht auf Leben. Das sollte uns Christen mal wieder bewusster werden!
Gerhard Lombardino 06.12.2024:
Warum immer Schwarz-Weiß? Ja oder Nein? Zu Angriffswaffen würde ich Nein, zu Verteidigungswaffen dagegen Ja sagen.
Martin Schönemann 06.12.2024:
Selbstverständlich sollte Deutschland keine Waffen für den Krieg im Nahen Osten liefern. Dieser fordert täglich Todesopfer, ohne einer der Kriegsparteien nennenswerte Vorteile zu verschaffen. Zudem gefährdet er die Sicherheit der israelischen Bevölkerung massiv (von der Sicherheit der umliegenden Regionen mal ganz zu schweigen) und macht jeden Ansatz zur Konfliktlösung langfristig unmöglich. Außerdem betreibt Israel in den besetzten Gebieten eine Diskriminierungs- und Umsiedlungspolitik, die der Russlands in Donezk und Lugansk doch sehr ähnelt. Es ist mir unverständlich, wie ein grüner Politiker einem solchen Krieg, einer solchen rassistischen Hegemonialpolitik das Wort reden kann. Deutschland darf sich da nicht mitschuldig machen.
Karl Ziefle 06.12.2024:
Je mehr Waffen Israel bekommt, desto aggressiver geht die gewaltbereite Regierung gegen ihre Nachbarn vor.
Helmer Schinowsky 06.12.2024:
Zu einem Konflikt kann man sich parteilich oder nach einer Lösung suchend positionieren. Wer ausschließlich im Sinne nur einer Seite argumentiert wie Volker Beck, der schürt den Konflikt. Konrad Raiser dagegen hat die Interessen beider Seiten im Blick und zeigt somit die Ansätze auf, die zu einer Beruhigung führen können. Die Ursachen des Konfliktes zwischen Juden und Arabern liegen in der Zeit vor 3000 Jahren, als das landlose Volk Israel in das Palästinenserland zwischen Libanon und Wüste, Mittelmeer und Jordan eingefallen ist und es sich aneignete. Wie brutal und grausam die Israelis dabei vorgegangen sind, kann man im Buch Josua nachlesen. Noch in der heutigen Zeit wollen sich militante Israelis und militante Araber gegenseitig aus dem Land vertreiben oder gar vernichten. Die Araber, weil sie zuerst da waren, und die Israelis, weil Josua ihnen mit angeblich göttlicher Autorität das Land versprochen hat. Um diesen Konflikt zu lösen, hat die Uno im Interesse beider Seiten 1947 einen Teilungsplan erarbeitet, nach dem beide Seiten je einen eigenen Staat gründen sollten. Die Führer beider Seiten bestanden und bestehen jedoch auf ihrer Haltung »Alles oder Nichts« und haben die aktuelle kriegerische Auseinandersetzung lange vorbereitet. Die palästinensischen Kriegsherren haben sich unterirdisch hinter Zivilisten verschanzt und Israel permanent aus der Deckung beschossen. Die israelischen Siegertypen haben laut »Spiegel« zugesehen, bis es für ihren rücksichtslosen Vernichtungsfeldzug den erwarteten Anlass gegeben hat. Seitdem dreht sich die Spirale der Gegenschläge, die durch Waffenlieferungen auch an das uns nahestehende Israel nicht befeuert werden sollte. Israel verteidigt sich nicht mehr, es greift an, um seine antipalästinensischen Interessen durchzusetzen.
Herbert Babel 06.12.2024:
Ist Volker Beck so geschichtsvergessen? 1948 hat eine Zweidrittelmehrheit in den Vereinten Nationen gegen die Stimmen der arabischen Staaten die Staatsgründung Israels auf arabisch-palästinensischem Territorium beschlossen. In der Folge gab es die Nakba mit über 750 000 Vertriebenen und Geflüchteten. Die Ursache der von Volker Beck genannten Bedrohungen ist, dass Israel seit 1967 alle UN-Resolutionen missachtet hat. Durch eine massive und aggressive Besiedlung des Westjordanlands hat Israel die international ausgehandelte Zweistaaten-Lösung verhindert. Israel beansprucht das gesamte Gebiet »vom Fluss bis zum Meer«. Die israelische Regierung hat den Gazastreifen geräumt und so ein Machtvakuum geschaffen, das von der Hamas ausgefüllt wurde zum Wohlgefallen Israels, weil es dadurch zwei konkurrierende palästinensische Organisationen gibt. Die Hamas hat im Gazastreifen die Aufgaben staatlicher Infrastruktur ausgefüllt. Mit militärischen Mitteln können Organisationen, die ihr Ziel mit Gewalt erreichen wollen, nicht kampfunfähig gemacht werden; siehe die Invasionen im Irak und in Afghanistan. Im Gegenteil, aus Hoffnungslosigkeit wird Hass, und die Organisationen gewinnen dadurch Zulauf. Israel führt die Kriege weiter, damit Netanjahu und seine rechtsextreme-rassistische Regierung im Amt bleiben. Mit der Folge von circa 50 000 Toten in Gaza und Tausenden Toten im Libanon; nicht mitgezählt die zahllosen Verwundeten.
Friedrich Clemens 06.12.2024:
Sehr geehrter Herr Beck! Ihr Ja ist beschämend. Das Verbrechen des 7. Oktober ist unentschuldbar. Aber danach als Vergeltung und Rache hundertmal mehr Menschen zu töten, kann nicht hingenommen werden. Sie erwähnen diese Taten nicht. Wie hat denn der Zwist zwischen Palästinensern und Juden/Israelis begonnen? Haben Sie keinerlei Kenntnisse über die Nakba? Was sagen Sie zu den Vorhaben der israelischen Regierung, das Westjordanland zu besiedeln, bis kein Platz mehr für die Palästinenser bleibt? Und Gaza soll auch für Siedler freigegeben werden. Das alles soll mithilfe von deutschen Waffen unterstützt werden nach Ihrer Meinung.
Eckardt Zehner 15.11.2024, 16:49 Uhr:
Waffen sind dazu da, um zu verletzen, bzw. zu töten. Wer Waffen herstellt oder liefert macht sich mitschuldig. und wer das beführwortet ebenso. Das menschliche Leben darf niemals strategischen Überlegungen untergeordnet werden. Selbst Anführer von Terroristen oder Despoten haben ein Recht auf Leben. Das sollte uns Christen mal wieder bewusster swerden!
Elmar Hüsam 10.11.2024, 19:34 Uhr:
Die Regierungen Israels haben seit der Staatsgründung versucht, durch militärische Stärke Sicherheit oder so etwas wie "Frieden" zu erreichen. Auch nach 76 (1948 bis 2024)Jahren hat dieses Konzept noch immer nicht funktioniert.
Israel sollte es vielleicht einmal mit dem Bemühen um gute Nachbarschaft versuchen. Kleine Beispiele, dass ein friedliches Miteinander möglich ist, gibt es in Israel viele. Ich habe eine Liste der Friedensgruppen dort erstellt und bin bis jetzt auf 40 gekommen. Ich kann diese Liste gern an die Redaktion von Publik-Forum schicken, wenn es Sie interessiert.
Gerhard Lombardino 10.11.2024, 14:59 Uhr:
Warum immer schwarz/weiß ? Ja oder nein
Zu A ngriffswaffen würde ich nein, zu Verteidigungswaffen
dagegen ja sagen.
Martin Schönemann 09.11.2024, 13:50 Uhr:
Selbstverständlich sollte Deutschland keine Waffen für den Krieg im Nahen Osten liefern. Dieser fordert täglich Todesopfer, ohne einer der Kriegsparteien nennenswerte Vorteile zu verschaffen. Zudem gefährdet er die Sicherheit der israelischen Bevölkerung massiv (von der Sicherheit der umliegenden Regionen mal ganz zu schweigen) und macht jeden Ansatz zur Konfliktlösung langfristig unmöglich.
Außerdem betreibt Israel in den besetzten Gebieten eine Diskriminierungs- und Umsiedlungspolitik, die der Russlands in Donezk und Lugansk doch sehr ähnelt. Es ist mir unverständlich, wie ein grüner Politiker einem solchen Krieg, einer solchen rassistischen Hegemonialpolitik das Wort reden kann.
Deuschland darf sich da nicht mitschuldig machen.
Karl Ziefle 09.11.2024, 10:14 Uhr:
Je mehr Waffen Israel bekommt, desto aggressiver geht die gewaltbereite Regierung gegen ihre Nachbarn vor.