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Dieser Artikel stammt aus
Publik-Forum, Heft 8/2024
Der Inhalt:
Dossier
Leben & Kultur

Pro und Contra
Die Bahncard nur noch digital?

vom 23.04.2024
Die Deutsche Bahn will die Bahncard als Plastikkarte abschaffen. Was aber ist mit Menschen, die kein Smartphone haben? Oder die ihre Daten ungern hergeben?
Umweltfreundlich oder unsozial? Die Bahncard gibt es bald nur noch als digitales Angebot. (Foto: pa/Teresa Kröger)
Umweltfreundlich oder unsozial? Die Bahncard gibt es bald nur noch als digitales Angebot. (Foto: pa/Teresa Kröger)

Hans-Joachim Luhm: Ja!

Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Die »digitale Transformation« erlebt mittlerweile jeder hautnah im Alltag. Ob Kontoauszüge, Arzneimittelrezepte oder Termine beim Amt: in vielen Bereichen ist die Nutzung digitaler Services heute selbstverständlich. Ein Flug ohne digitale Bordkarte ist die Ausnahme. Und an der Supermarktkasse wird immer häufiger mit dem Handy gezahlt.

Dieser Artikel stammt aus Publik-Forum 08/2024 vom 26.04.2024, Seite 8
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Das merken auch wir bei der Deutschen Bahn. Im Fernverkehr werden mittlerweile rund 85 Prozent aller Tickets digital über bahn.de oder die App DB Navigator gekauft – mit stark steigender Tendenz. Darum bauen wir unsere digitalen Angebote weiter aus. Unsere Website bahn.de und die App DB Navigator haben wir gerade grundlegend überarbeitet und verbessert. Für unsere Reisezentren haben wir ein neues Konzept entwickelt. Wenn die meisten Kundinnen und Kunden ihre Tickets digital buchen, können wir den Fokus dort mehr und mehr auf die persönliche Beratung legen.

Mit der Umstellung der Bahncards gehen wir nun bei der Digitalisierung einen Schritt weiter. Gerade hier hat das digitale Angebot für unsere Reisenden große Vorteile: einmal in der App DB Navigator hochgeladen, ist die digitale Bahncard immer dabei und kann nicht verloren gehen. Vor allem leistet die digitale Bahncard auch einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. Allein durch den Verzicht auf die analogen Karten sparen wir 30 Tonnen Plastik pro Jahr ein.

Wir wissen, dass das für einige Menschen eine große Umstellung ist und sie sich Sorgen machen. Was ist, wenn der Akku vom Handy leer ist? Abgesehen davon, dass das in der Praxis kaum häufiger vorkommt als eine zu Hause vergessene Plastikkarte: passiert das tatsächlich, ist das kein Problem. Man kann während der Fahrt mit unserem Bordpersonal und nach der Fahrt mit unserem Kundenservice Kontakt aufnehmen und die Bahncard nachträglich vorlegen. Allen, die noch Berührungsängste mit Apps haben, können wir nur empfehlen: einfach mal ausprobieren! Und unsere Beratungsangebote nutzen. Bei Fragen rund um die digitale Bahncard und den DB Navigator stehen unsere Beraterinnen und Berater in den Reisezentren und beim telefonischen Bahncard-Service helfend zur Seite. Unsere Kundinnen und Kunden möchte ich ganz herzlich um Vertrauen bitten. Wir werden niemanden auf dem Weg zur Digitalisierung alleinlassen.

Und wer zunächst noch gar nicht auf eine analoge Alternative verzichten möchte, der kann auch in Zukunft statt der App einen Papierausdruck seiner Bahncard im Zug vorzeigen. Aber ich bin mir sicher: Wer einmal die digitale Bahncard ausprobiert hat, wird auf ihre Vorteile nicht mehr verzichten wollen.

Marion Jungbluth: Nein!

Es hat den Anschein, dass ohne digitales Kundenkonto bei der Deutschen Bahn (DB) bald nichts mehr geht. Ab 9. Juni 2024 werden die Bahncard 25 und 50 nur noch digital angeboten. Nur mit einem Kundenkonto bei bahn.de beziehungsweise in der App DB Navigator kann dann die Rabattkarte weiter genutzt werden.

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Auch die angebotene Alternative, der Ausdruck einer PDF-Datei, ist nur möglich, wenn ein Kundenkonto besteht. Familien, die bisher ein gemeinsames Kundenkonto genutzt haben, werden gezwungen, nur für die Bahncard für jedes Familienmitglied ein eigenes Konto anzulegen.

Viele Fahrgäste haben damit kein Problem, denn sie nutzen schon heute die Bahn-Tools und verzichten gerne auf die Plastikkarte. Aber das gilt nicht für alle. Die Ankündigung der DB, die Bahncard nur noch digital auszugeben, hat zu zahlreichen Beschwerden auch bei uns geführt. Viele Menschen berichten, dass ohne Bahncard Zugfahrten doppelt so teuer für sie werden. Mitunter seien sie so gezwungen, auf Bahnfahrten zu verzichten.

Mit dieser Digitalisierungsstrategie verdrängt die DB unter Umständen Teile der Bevölkerung aus ihren Zügen. Insbesondere vulnerable Gruppen werden so vom klimaverträglichen Reisen mit der Bahn abgehalten: ältere Menschen und eingeschränkte Personen sowie Menschen, die kein Smartphone oder Internetzugang besitzen oder sich leisten können.

Aber auch die, die Wert auf Datensparsamkeit legen und nicht überall ein Kundenkonto eröffnen wollen, müssen auf die Rabattmöglichkeit verzichten. Sie können dann nur die teuren Preise zahlen oder auf andere Verkehrsmittel umsteigen. Klimaschutz würde so eine Frage des Online-Zugangs. Nach einer aktuellen Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands sieht eine Mehrheit der Befragten den ausschließlich digitalen Ticketverkauf kritisch.

Auch Menschen ohne Smartphone müssen weiter klimaverträglich und möglichst günstig Bahnfahren können. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern sollte Verbraucherinnen und Verbrauchern den Alltag und das Reisen vereinfachen – und nicht verunmöglichen. Die Deutsche Bahn muss ein Verkehrsangebot bieten, das alle Menschen mitnimmt und niemanden zurücklässt. Sie muss ihrer Verantwortung gerecht werden, insbesondere als Unternehmen im Besitz des Bundes. Jede Digitalisierungsmaßnahme bei der DB muss eine analoge und anonyme Alternative einschließen. Die Bahncard muss weiter für alle verfügbar sein. Der ersatzweise gültige Papierausdruck muss daher auch für Menschen ohne digitales Kundenkonto zugänglich sein, etwa, indem er im Reisezentrum kostenlos ausgehändigt wird.

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