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Lieber Gottvertrauen als Heidenangst!

vom 14.04.2020
von Fritz Ullmer, Heidelberg

Als Priesterpensionär mit bald 83 Jahren bin ich in meiner Heimat Heidelberg noch sehr einsatzbereit. Doch die Coronaplage hat mich plötzlich völlig ausgebremst. Dies hat zunächst meinen Glauben etwas erschüttert. Doch inzwischen kann ich diesem völlig ungewohnten Spuk sogar etwas Gutes abgewinnen, auch für die Kirche. Schon unsere liberale Tageszeitung hat mich in der Karwoche mehrmals überrascht: So viel Religiöses und Kirchenfreundliches brachte sie bisher nur selten. Die Osternacht habe ich mit unserer kleinen Hausgemeinschaft (wir waren zu fünft) gefeiert, am Ostermorgen dann im Altenheim der Methodisten (in der leeren Kapelle, aber mit Übertragung per Video in alle Wohnbereiche) eine feierliche Osterandacht gehalten, danach zu Hause mit meiner Schwägerin (»wo zwei oder drei ...«) die Ostermesse gefeiert. Um 12.00 Uhr läuteten zunächst alle Kirchenglocken; anschließend erlebte ich auf dem hiesigen Rathausplatz mit einigen Posaunisten und einer »weit verstreuten Gemeinde« (positiv verstanden) ein ökumenisches Ostersingen mit Ostertexten und -gebeten. Ja, die Osterbotschaft hat unsere Kirchengebäude verlassen und ist hinausgedrungen auf die Straßen und Plätze und in viele »Hauskirchen« hinein. Und das ist plötzlich auch ohne Priester möglich! Zukunft der Kirche?

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Tomas Halik (Professor für Soziologie in Prag und dort in der Zeit des Kommunismus in der »Untergrundkirche« heimlich zum Priester geweiht) schrieb dieser Tage: »Vielleicht zeigt diese Zeit der leeren Kirchen uns eine mögliche Zukunft auf, die eintreten könnte, wenn die Kirchen nicht ernsthaft versuchen, der Welt eine ganz andere Gestalt des Christentums zu präsentieren. Zu sehr waren wir darauf bedacht, dass die »Welt« (die anderen) umkehren müsste, als dass wir an unsere eigene Umkehr gedacht hätten, an die Wende vom statischen Christsein zum dynamischen Christwerden in die Welt von heute hinein.« Papst Franziskus sagte es einmal kurz und bündig so: »Die Kirche muss wieder ein Feldlazarett werden.« Er meint damit, die Kirche darf sich nicht länger von der Welt absondern. Sie muss über ihre Grenzen hinausgehen und denen helfen, die physisch, psychisch, sozial und geistlich verwundet sind. Sie muss hinausgehen in eine Welt, die verzweifelt nach einem Sinn des Ganzen sucht. Und sie muss möglichst viele Menschen immun machen gegen die bösartigen Viren der Angst, des Hasses, der Sinnlosigkeit, des Egoismus und des Nationalismus. Gott in Jesus Christus als Kraftquelle für solidarische und aufopfernde Liebe weltweit! Dies muss wieder ihre gelebte zentrale Botschaft sein!

Ich selbst habe bisher gar nicht daran gedacht, dass man für die Seelsorge auch telefonisch und digital so viele Möglichkeiten hat. Zurzeit nütze ich sie täglich oft. Freilich, die Begegnung von Angesicht zu Angesicht und die gemeinsame Gottesdienstfeier fehlen mir. Ansonsten gibt es ja jetzt im Internet und im Fernsehen sooo viele geistliche Angebote; man kann sie gar nicht alle nutzen.

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Mein aktuelles Motto: Lieber ganz viel Gottvertrauen als eine Heidenangst! Hoffentlich findet die Menschheit reifer, solidarischer, demütiger und gläubiger aus dieser Pandemie heraus.

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Alle Beiträge des Erzählprojektes »Die Liebe in Zeiten von Corona«

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