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Völlig kopflos beim Kopftuch

von Elisa Rheinheimer-Chabbi vom 26.09.2014
Da sage noch einer, die Kirchen hätten keine Macht mehr! Das Bundesarbeitsgericht hat ihnen gerade wieder mal das Gegenteil bewiesen. Das Urteil: Die Kirche als Arbeitgeber darf einer muslimischen Angestellten das Kopftuch verbieten. In christlichen Krankenhäusern nur christliche Symbole? Wie christlich ist das denn? Ein Wutanfall von Elisa Rheinheimer-Chabbi
Die medizinisch-technische Assistentin Betül Caliscan trägt bei ihrer Arbeit in einem Lübecker Krankenhaus auf der Radiologie ein Kopftuch (Foto vom 18.10.2011). Während Wirtschaftsverbände angesichts des Fachkräftemangels junge Menschen mit Migrationshintergrund als Arbeitskräfte umwerben, ist das Kopftuch bei muslimischen Frauen oft ein Einstellungshindernis. Eine evangelische Klinik in Bochum weigert sich jedenfalls, eine Mitarbeiterin mit Kopftuch arbeiten zu lassen.Das Bundesarbeitsgericht gab der Klinik vor zwei Tagen im Rechtstreit um diese Frage recht. Die Klägerin arbeitete bislang viele Jahre ohne Kopftuch in jenem evangelischen Krankenhaus; nun wollte sie es gern tragen. Das wurde ihr verboten. (Foto: pa/Nietfeld)
Die medizinisch-technische Assistentin Betül Caliscan trägt bei ihrer Arbeit in einem Lübecker Krankenhaus auf der Radiologie ein Kopftuch (Foto vom 18.10.2011). Während Wirtschaftsverbände angesichts des Fachkräftemangels junge Menschen mit Migrationshintergrund als Arbeitskräfte umwerben, ist das Kopftuch bei muslimischen Frauen oft ein Einstellungshindernis. Eine evangelische Klinik in Bochum weigert sich jedenfalls, eine Mitarbeiterin mit Kopftuch arbeiten zu lassen.Das Bundesarbeitsgericht gab der Klinik vor zwei Tagen im Rechtstreit um diese Frage recht. Die Klägerin arbeitete bislang viele Jahre ohne Kopftuch in jenem evangelischen Krankenhaus; nun wollte sie es gern tragen. Das wurde ihr verboten. (Foto: pa/Nietfeld)
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Darf eine Muslima in einem kirchlichen Krankenhaus als Pflegerin arbeiten? Ohne Kopftuch: ja. Mit Kopftuch: nein. Es sei das Recht christlicher Träger, die Beschäftigung kopftuchtragender Frauen abzulehnen. So urteilte vor zwei Tagen das Bundesarbeitsgericht in Erfurt.

Dieses Urteil schadet der Integration von Muslimen in Deutschland so richtig. Genaugenommen ist es nicht so sehr das Urteil, sondern das empörende Verhalten der evangelischen Augusta-Klinik in Bochum, die einer muslimischen Angestellten das Kopftuch am Arbeitsplatz verbot – wogegen die Frau geklagt hatte. Für das Gericht war folgende Frage ausschlaggebend: Warum sollte die Evangelische Kirche nicht gewisse Grundsätze und einen Verhaltenskodex haben, nach dem Angestellte sich richten müssen? Das ist bei jeder Firma so üblich. Un

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M.B. 20.10.2014:
Darf eine fromme Muslimin überhaupt für eine christliche Einrichtung tätig sein?

Betrachten wir die Sache doch einmal umgekehrt. Ein kirchliches Krankenhaus verstößt durch seine Kruzifixe:
1. gegen das Bilderverbot
2. das Verbot der Beigesellung indem es Jesus als Gottes Sohn verehrt.
3. die islamische Überzeugung das Jesus gar nicht gekreuzigt worden ist.

Also wie kann eine fromme Muslimin sich überhaupt in en Dienst dieser christlicher Häretiker stellen?

und dann noch etwas zu der konkreten Verhaltensweise der Klägerin. Laut einem anderen Zeitungsartikel ist die Klägerin am ersten Arbeitstag(nach Elternzeit + Krankenstand) einfach mit ihrem Kopftuch erschienen und hat den Arbeitgeber vor vollendete Tatsachen gestellt, anstatt vorher das Gespräch zu suchen. Damit konnte der Arbeitgeber gar nicht mehr anders reagieren, ohne sein Gesicht zu verlieren. Maria Busold

Wolfgang 05.10.2014:
Warum sollte ausgerechnet die Kirche besser sein als jeder andere Arbeitgeber? Überall gibt es Verhaltenskodexe und Kleiderordnungen und überall werden sie von den Angestellten eingehalten oder es folgt die Kündigung. Das ist nichts Neues. Und die Kirchen machen in diesem Sinne auch nichts anderes als ihre entsprechenden Verordnungen anzuwenden. Es ist völlig egal, ob es ein christliches oder ein staatliches Krankenhaus ist, überall ist das, was u. U. unhygienisch sein kann, nicht erlaubt. Warum also so ein Aufschrei über solch ein Urteil, was übrigens in der Tradition der bisherigen Rechtsprechungen steht?

Hanna Leinemann 05.10.2014, 12:22 Uhr:
Der Wutanfall von Elisa Rheinheimer-Chabbi in allen Ehren: Er ist nötig mit grundlegender Diskussion. - Krankenhäuser sind eine Gemeinschaftsaufgabe, also staatlich zu führen unter Ausschluß jeder religiösen Sonderheit beim Personal; die Patienten gehen vor, und deren religiöse Begleitung ist sicherzustellen. - Ich habe den Eindruck, daß das Tragen eines Kopftuches auch ein Moment der Erpressung gegen eine Gesellschaft ist wie Niqap etc. - Was macht diese Krankenschwester im Einsatz auf Intensivstation mit Schutzkleidung, was bei Einsatz im OP? - Warum kann eine Krankenschwester äußere Merkmale einer Religionszugehörigkeit nicht als Privatsache betrachten? -

Prof. Dr. Friedrich Battenberg 02.10.2014:
Als Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Christinnen und Christen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN habe ich zusammen mit meiner Co-Sprecherin Kerstin Taeubner-Benicke eine Pressemeldung dazu herausgegeben, die zugleich die Meinung des Bundesvorstands der GRÜNEN widerspiegelt. Man sollte bei aller Kritik an dem Urteil nicht vergessen, dass es exakt der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Dieses hat nämlich seit den Grundsatz-Urteilen von 1985 festgelegt, dass die Kirchen und die ihr zugehörigen Einrichtungen (wie Diakonie und Caritas) selbst die Reichweite ihrerAufgaben in die Gesellschaft hinein festlegen können. Wenn also eine Kirche meint, für Funktionen, die in ihrem Auftrag erledigt werden (und dazu zählen natürlich auch die Aufgaben einer Krankienschwester in einer Einrichtung der Diakonie), sei ein Kopftuch als Ausdruck einer anderen Glaubensüberzeugung nicht zu dulden, kann das Gericht nicht anders entscheiden. Es besteht also dringender Reformbedarf.

Sybille Mattfeldt-Kloth Bündnis 90/Die Grünen 02.10.2014:
Die GRÜNEN setzen sich dafür ein, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und damit der Sonderweg im Arbeitsrecht dort seine Grenze findet, wo kirchliche Arbeitgeber im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips soziale Dienste versehen. Hier muss ein normaler "Tendenzschutz" ausreichen, das heißt nur Menschen, die dicht am Verkündigungsauftrag sind müssen sich kirchlichen Maßstäben anpassen. Das gilt für eine Krankenschwester nicht. Hier kommt es ausschließlich auf fachliche Kompetenz an. Wenn die Kirchen der Meinung sind, jede Tätigkeit geschehe im Rahmen der "Dienstgemeinschaft" und sei entsprechend "christlich", so müssen sie sich darauf verweisen lassen, dass die "Dienstgemeinschaft" kein theologischer Begriff ist, sondern einem staatlichen Gesetz von 1934 entstammt.

Kerstin Täubner-Benicke 01.10.2014, 13:18 Uhr:
Rechtlich ist es wohl richtig gelaufen, aber es können ja noch weitere Instanzen angerufen werden. Allerdings finde ich die Argumentation der Klinik, dass ihr Ansehen leide, bei der Zuschaustellung anderer Religionen, sehr rückständig und kleinkariert, bzw. noch schlimmer, dass "die Klinik erklärte, die Klägerin habe alles zu unterlassen, was als gegen die evangelische Kirche gerichtete Meinungsbekundung angesehen werden könne - wie eben das Tragen eines Kopftuches." Dass also die sichtbare Zugehörigkeit zu einer anderen Religion als ein Angriff auf die eigene Religion verstanden wird. Das lässt doch auf ein etwas mangelhaftes Selbstbewusstsein schließen, und legt nicht gerade den Grund zum Dialog der Religionen. Schade! (KTB: Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Christ*innen bei B90/DIE GRÜNEN)

Gundula Hendrich 29.09.2014, 18:02 Uhr:
Was für eine merkwürdige und ärgerliche Entscheidung des Krankenhauses und der Richterinnen!
Die Begründung des Gerichts habe ich im Kommentar von P. Haverkamp lesen können, die des Krankenhauses würde mich interessieren. Denn es ist ja noch gar nicht so lange her, dass die christlichen Schwestern ebenfalls Kopfbekleidungen trugen....

Paul Haverkamp 27.09.2014, 15:18 Uhr:
Ein Pyrrhus-Sieg beider Kirchen!
Die Richter in Erfurt haben entschieden, dass das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen höher zu bewerten sei als die Religionsfreiheit einer Angestellten, denn lt. GG steht, dass „jede Religionsgemeinschaft ihre Angelegenheiten selbstständig ordnet und verwaltet“. Soweit die juristische Seite.
Dennoch: Beide Kirchen sollten sich mit einem lautstarken Halleluja zurückhalten, denn
• Beiden Kirchen laufen die Noch-Kirchenmitglieder und die Gottesdienstbesucher davon. Wer glaubt.

• Dieses Urteil wird dazu führen, dass die Akzeptanz der Kirchen in der Gesellschaft weiter schwindet.

• Beide Kirchen sollten von der Erkenntnis ausgehen, dass der oben zitierte GG-Artikel bei immer mehr Kirchenmitgliedern keinerlei Rückhalt mehr findet

• Abschließend weise ich auf einen Aspekt von H. Küng hin, der immer wieder darauf aufmerksam gemacht hat, dass der Friede unter den Religionen die Voraussetzung für einen Weltfrieden ist.